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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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kennen, der weder Hand noch Auge brauchte.
Das Auge, pflegte mein Vater zu sagen, hat
Christus selbst bey seiner Bergpredigt ange-
wandt. Es gehöret dem Prediger; die Hand
aber dem Handwerker. Dieser Redner ohne
Aug' und Hand fachte in mir keinen göttlichen
Ruf zum Geistlichen auf, der sich völlig ge-
legt hatte, da ich keine Mine mehr hatte.
Bey meiner ersten Predigt galt mir ihr ver-
stohlner Blick und Nummer 5 mehr, als alle
übrige klingende Münze von großer Anlage,
von unvergleichlichen Kanzelgaben, von Kir-
chenväterlichem Anstand. Minchen liebte
mich nach der ersten Predigt mehr, als ehe-
dem. Ich hatte mich zum Manne ihrer See-
le gepredigt, und war vom Alexander bis
zum lieben Jungen erniedrigt oder erhöht
worden. --

Vergeblich erinnerte ich mich, daß mein
Vater, wiewohl nach dem Brande, mich ver-
sichert hatte, daß ein Geistlicher der glücklich-
ste Mensch in der Welt wäre, und daß seine
Seele in beständigem Frühling sey, wo es
nicht zu kalt, noch zu warm ist. Frühling
ist das Clima des Himmels; in der Hölle
ist Winter und Sommer! -- Herbst
würde alsdenn das Fegfeuer seyn!
Be-

ständi-

kennen, der weder Hand noch Auge brauchte.
Das Auge, pflegte mein Vater zu ſagen, hat
Chriſtus ſelbſt bey ſeiner Bergpredigt ange-
wandt. Es gehoͤret dem Prediger; die Hand
aber dem Handwerker. Dieſer Redner ohne
Aug’ und Hand fachte in mir keinen goͤttlichen
Ruf zum Geiſtlichen auf, der ſich voͤllig ge-
legt hatte, da ich keine Mine mehr hatte.
Bey meiner erſten Predigt galt mir ihr ver-
ſtohlner Blick und Nummer 5 mehr, als alle
uͤbrige klingende Muͤnze von großer Anlage,
von unvergleichlichen Kanzelgaben, von Kir-
chenvaͤterlichem Anſtand. Minchen liebte
mich nach der erſten Predigt mehr, als ehe-
dem. Ich hatte mich zum Manne ihrer See-
le gepredigt, und war vom Alexander bis
zum lieben Jungen erniedrigt oder erhoͤht
worden. —

Vergeblich erinnerte ich mich, daß mein
Vater, wiewohl nach dem Brande, mich ver-
ſichert hatte, daß ein Geiſtlicher der gluͤcklich-
ſte Menſch in der Welt waͤre, und daß ſeine
Seele in beſtaͤndigem Fruͤhling ſey, wo es
nicht zu kalt, noch zu warm iſt. Fruͤhling
iſt das Clima des Himmels; in der Hoͤlle
iſt Winter und Sommer! — Herbſt
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[11/0019] kennen, der weder Hand noch Auge brauchte. Das Auge, pflegte mein Vater zu ſagen, hat Chriſtus ſelbſt bey ſeiner Bergpredigt ange- wandt. Es gehoͤret dem Prediger; die Hand aber dem Handwerker. Dieſer Redner ohne Aug’ und Hand fachte in mir keinen goͤttlichen Ruf zum Geiſtlichen auf, der ſich voͤllig ge- legt hatte, da ich keine Mine mehr hatte. Bey meiner erſten Predigt galt mir ihr ver- ſtohlner Blick und Nummer 5 mehr, als alle uͤbrige klingende Muͤnze von großer Anlage, von unvergleichlichen Kanzelgaben, von Kir- chenvaͤterlichem Anſtand. Minchen liebte mich nach der erſten Predigt mehr, als ehe- dem. Ich hatte mich zum Manne ihrer See- le gepredigt, und war vom Alexander bis zum lieben Jungen erniedrigt oder erhoͤht worden. — Vergeblich erinnerte ich mich, daß mein Vater, wiewohl nach dem Brande, mich ver- ſichert hatte, daß ein Geiſtlicher der gluͤcklich- ſte Menſch in der Welt waͤre, und daß ſeine Seele in beſtaͤndigem Fruͤhling ſey, wo es nicht zu kalt, noch zu warm iſt. Fruͤhling iſt das Clima des Himmels; in der Hoͤlle iſt Winter und Sommer! — Herbſt wuͤrde alsdenn das Fegfeuer ſeyn! Be- ſtaͤndi-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/19>, abgerufen am 24.11.2024.