kennen, der weder Hand noch Auge brauchte. Das Auge, pflegte mein Vater zu sagen, hat Christus selbst bey seiner Bergpredigt ange- wandt. Es gehöret dem Prediger; die Hand aber dem Handwerker. Dieser Redner ohne Aug' und Hand fachte in mir keinen göttlichen Ruf zum Geistlichen auf, der sich völlig ge- legt hatte, da ich keine Mine mehr hatte. Bey meiner ersten Predigt galt mir ihr ver- stohlner Blick und Nummer 5 mehr, als alle übrige klingende Münze von großer Anlage, von unvergleichlichen Kanzelgaben, von Kir- chenväterlichem Anstand. Minchen liebte mich nach der ersten Predigt mehr, als ehe- dem. Ich hatte mich zum Manne ihrer See- le gepredigt, und war vom Alexander bis zum lieben Jungen erniedrigt oder erhöht worden. --
Vergeblich erinnerte ich mich, daß mein Vater, wiewohl nach dem Brande, mich ver- sichert hatte, daß ein Geistlicher der glücklich- ste Mensch in der Welt wäre, und daß seine Seele in beständigem Frühling sey, wo es nicht zu kalt, noch zu warm ist. Frühling ist das Clima des Himmels; in der Hölle ist Winter und Sommer! -- Herbst würde alsdenn das Fegfeuer seyn! Be-
ständi-
kennen, der weder Hand noch Auge brauchte. Das Auge, pflegte mein Vater zu ſagen, hat Chriſtus ſelbſt bey ſeiner Bergpredigt ange- wandt. Es gehoͤret dem Prediger; die Hand aber dem Handwerker. Dieſer Redner ohne Aug’ und Hand fachte in mir keinen goͤttlichen Ruf zum Geiſtlichen auf, der ſich voͤllig ge- legt hatte, da ich keine Mine mehr hatte. Bey meiner erſten Predigt galt mir ihr ver- ſtohlner Blick und Nummer 5 mehr, als alle uͤbrige klingende Muͤnze von großer Anlage, von unvergleichlichen Kanzelgaben, von Kir- chenvaͤterlichem Anſtand. Minchen liebte mich nach der erſten Predigt mehr, als ehe- dem. Ich hatte mich zum Manne ihrer See- le gepredigt, und war vom Alexander bis zum lieben Jungen erniedrigt oder erhoͤht worden. —
Vergeblich erinnerte ich mich, daß mein Vater, wiewohl nach dem Brande, mich ver- ſichert hatte, daß ein Geiſtlicher der gluͤcklich- ſte Menſch in der Welt waͤre, und daß ſeine Seele in beſtaͤndigem Fruͤhling ſey, wo es nicht zu kalt, noch zu warm iſt. Fruͤhling iſt das Clima des Himmels; in der Hoͤlle iſt Winter und Sommer! — Herbſt wuͤrde alsdenn das Fegfeuer ſeyn! Be-
ſtaͤndi-
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kennen, der weder Hand noch Auge brauchte.
Das Auge, pflegte mein Vater zu ſagen, hat
Chriſtus ſelbſt bey ſeiner Bergpredigt ange-
wandt. Es gehoͤret dem Prediger; die Hand
aber dem Handwerker. Dieſer Redner ohne
Aug’ und Hand fachte in mir keinen goͤttlichen
Ruf zum Geiſtlichen auf, der ſich voͤllig ge-
legt hatte, da ich keine Mine mehr hatte.
Bey meiner erſten Predigt galt mir ihr ver-
ſtohlner Blick und Nummer 5 mehr, als alle
uͤbrige klingende Muͤnze von großer Anlage,
von unvergleichlichen Kanzelgaben, von Kir-
chenvaͤterlichem Anſtand. Minchen liebte
mich nach der erſten Predigt mehr, als ehe-
dem. Ich hatte mich zum Manne ihrer See-
le gepredigt, und war vom Alexander bis
zum lieben Jungen erniedrigt oder erhoͤht
worden. —
Vergeblich erinnerte ich mich, daß mein
Vater, wiewohl nach dem Brande, mich ver-
ſichert hatte, daß ein Geiſtlicher der gluͤcklich-
ſte Menſch in der Welt waͤre, und daß ſeine
Seele in beſtaͤndigem Fruͤhling ſey, wo es
nicht zu kalt, noch zu warm iſt. Fruͤhling
iſt das Clima des Himmels; in der Hoͤlle
iſt Winter und Sommer! — Herbſt
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/19>, abgerufen am 24.11.2024.
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