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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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waren zwey Thürstücke, das eine stellte Ge-
nesin,
das andere Apocalypsin vor. Ge-
nesis
war in Gestalt eines Menschen. Apo-
calypsis
wie ein Engel gekleidet. In jenem
sahe man die Worte: es ward -- in diesem
das Offenbarungs Johannis Wort: Amen! --

Die Seeligen waren alle wie Geister ge-
kleidet. Sie hatten weiße Kleider. Sie wa-
ren mit Körperchen umschlagen mit einem
leichten Gewande, mit dem Sterbhemde. Die
Gesichter kenntlich; allein himmlisch. Wenn
die junge Grafen und der Bräutigam nicht
Hutkränze von weißen Federn auf ihren flie-
genden Haaren gehabt, und ganz unvermerkt
das gräfliche Wapen nebst der Perlencron an
ihrer Seite hervorgeschimmert hätte; so wür-
den die Geister mehr Geister gewesen seyn.
Jezt waren es gräfliche Geister. Andre Welt!
wenn du Fürsten, Grafen, Freyherren, Rit-
ter, Bürger und Bauren hast; sind sie auch
nur durch ein Wapen unterschieden; wie we-
nig bist du dann andre Welt! wie wenig! --
Alles handelte in diesem Familienstück. -- O
der unseligen Wapen, und der weißen Feder-
büsche! und der gräflichen Krone! --

Die Gräfin Mutter hatte sieben Weinreben
in der Hand, die alle sieben weinten, so daß

die
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waren zwey Thuͤrſtuͤcke, das eine ſtellte Ge-
neſin,
das andere Apocalypſin vor. Ge-
neſis
war in Geſtalt eines Menſchen. Apo-
calypſis
wie ein Engel gekleidet. In jenem
ſahe man die Worte: es ward — in dieſem
das Offenbarungs Johannis Wort: Amen! —

Die Seeligen waren alle wie Geiſter ge-
kleidet. Sie hatten weiße Kleider. Sie wa-
ren mit Koͤrperchen umſchlagen mit einem
leichten Gewande, mit dem Sterbhemde. Die
Geſichter kenntlich; allein himmliſch. Wenn
die junge Grafen und der Braͤutigam nicht
Hutkraͤnze von weißen Federn auf ihren flie-
genden Haaren gehabt, und ganz unvermerkt
das graͤfliche Wapen nebſt der Perlencron an
ihrer Seite hervorgeſchimmert haͤtte; ſo wuͤr-
den die Geiſter mehr Geiſter geweſen ſeyn.
Jezt waren es graͤfliche Geiſter. Andre Welt!
wenn du Fuͤrſten, Grafen, Freyherren, Rit-
ter, Buͤrger und Bauren haſt; ſind ſie auch
nur durch ein Wapen unterſchieden; wie we-
nig biſt du dann andre Welt! wie wenig! —
Alles handelte in dieſem Familienſtuͤck. — O
der unſeligen Wapen, und der weißen Feder-
buͤſche! und der graͤflichen Krone! —

Die Graͤfin Mutter hatte ſieben Weinreben
in der Hand, die alle ſieben weinten, ſo daß

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[69/0075] waren zwey Thuͤrſtuͤcke, das eine ſtellte Ge- neſin, das andere Apocalypſin vor. Ge- neſis war in Geſtalt eines Menſchen. Apo- calypſis wie ein Engel gekleidet. In jenem ſahe man die Worte: es ward — in dieſem das Offenbarungs Johannis Wort: Amen! — Die Seeligen waren alle wie Geiſter ge- kleidet. Sie hatten weiße Kleider. Sie wa- ren mit Koͤrperchen umſchlagen mit einem leichten Gewande, mit dem Sterbhemde. Die Geſichter kenntlich; allein himmliſch. Wenn die junge Grafen und der Braͤutigam nicht Hutkraͤnze von weißen Federn auf ihren flie- genden Haaren gehabt, und ganz unvermerkt das graͤfliche Wapen nebſt der Perlencron an ihrer Seite hervorgeſchimmert haͤtte; ſo wuͤr- den die Geiſter mehr Geiſter geweſen ſeyn. Jezt waren es graͤfliche Geiſter. Andre Welt! wenn du Fuͤrſten, Grafen, Freyherren, Rit- ter, Buͤrger und Bauren haſt; ſind ſie auch nur durch ein Wapen unterſchieden; wie we- nig biſt du dann andre Welt! wie wenig! — Alles handelte in dieſem Familienſtuͤck. — O der unſeligen Wapen, und der weißen Feder- buͤſche! und der graͤflichen Krone! — Die Graͤfin Mutter hatte ſieben Weinreben in der Hand, die alle ſieben weinten, ſo daß die E 3

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/75>, abgerufen am 06.05.2024.