künftigen sehen; daher auch der Himmel mu- sikalisch vorgestellet wird.
In Parenthesi merk ich an, daß ich am Sterbtage deiner Mine faste und fasten wer- de, bis mich nicht mehr hungert, noch dur- stet, und auf mich fällt irgend eine Hitze der Angst -- aber wie fast' ich? Nicht, daß ich mich verschlöße; sondern daß ich meine Lieb- lingsschüßeln selbst mit eigener Hand koche, und mit eigner Nase rieche. Dann ists keine Kunst zu fasten, wenn uns Feur und Wasser im Exilio versagt werden. Sey getrost, mein Sohn! Der Trieb des Lebens hört nicht auf, sondern mehrt sich mit den Jahren; nur durch die Religion wird er eingeschränkt und zur rechten Ader gelenkt. Ich kann es dir versichern, daß meine Lust zum Leben so ziem- lich versiegt ist. Wie sollte das zugehen, wenn nicht noch was dahinter wäre? Dar- auf verlaß dich! Es ist noch was dahin- ter. --
Deiner Güte will ich trauen, bis ich frölich werde schauen --
Weiter kann mein centnerschwer beladenes Herz weder schreiben noch singen. Wieder ein Absatz! -- Meine Lippen sind gedörrt, so, daß die Triller nicht aus der Stelle wollen, eben so
wenig,
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kuͤnftigen ſehen; daher auch der Himmel mu- ſikaliſch vorgeſtellet wird.
In Parentheſi merk ich an, daß ich am Sterbtage deiner Mine faſte und faſten wer- de, bis mich nicht mehr hungert, noch dur- ſtet, und auf mich faͤllt irgend eine Hitze der Angſt — aber wie faſt’ ich? Nicht, daß ich mich verſchloͤße; ſondern daß ich meine Lieb- lingsſchuͤßeln ſelbſt mit eigener Hand koche, und mit eigner Naſe rieche. Dann iſts keine Kunſt zu faſten, wenn uns Feur und Waſſer im Exilio verſagt werden. Sey getroſt, mein Sohn! Der Trieb des Lebens hoͤrt nicht auf, ſondern mehrt ſich mit den Jahren; nur durch die Religion wird er eingeſchraͤnkt und zur rechten Ader gelenkt. Ich kann es dir verſichern, daß meine Luſt zum Leben ſo ziem- lich verſiegt iſt. Wie ſollte das zugehen, wenn nicht noch was dahinter waͤre? Dar- auf verlaß dich! Es iſt noch was dahin- ter. —
Deiner Guͤte will ich trauen, bis ich froͤlich werde ſchauen —
Weiter kann mein centnerſchwer beladenes Herz weder ſchreiben noch ſingen. Wieder ein Abſatz! — Meine Lippen ſind gedoͤrrt, ſo, daß die Triller nicht aus der Stelle wollen, eben ſo
wenig,
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kuͤnftigen ſehen; daher auch der Himmel mu-
ſikaliſch vorgeſtellet wird.
In Parentheſi merk ich an, daß ich am
Sterbtage deiner Mine faſte und faſten wer-
de, bis mich nicht mehr hungert, noch dur-
ſtet, und auf mich faͤllt irgend eine Hitze der
Angſt — aber wie faſt’ ich? Nicht, daß ich
mich verſchloͤße; ſondern daß ich meine Lieb-
lingsſchuͤßeln ſelbſt mit eigener Hand koche,
und mit eigner Naſe rieche. Dann iſts keine
Kunſt zu faſten, wenn uns Feur und Waſſer
im Exilio verſagt werden. Sey getroſt, mein
Sohn! Der Trieb des Lebens hoͤrt nicht auf,
ſondern mehrt ſich mit den Jahren; nur
durch die Religion wird er eingeſchraͤnkt und
zur rechten Ader gelenkt. Ich kann es dir
verſichern, daß meine Luſt zum Leben ſo ziem-
lich verſiegt iſt. Wie ſollte das zugehen,
wenn nicht noch was dahinter waͤre? Dar-
auf verlaß dich! Es iſt noch was dahin-
ter. —
Deiner Guͤte will ich trauen,
bis ich froͤlich werde ſchauen —
Weiter kann mein centnerſchwer beladenes
Herz weder ſchreiben noch ſingen. Wieder ein
Abſatz! — Meine Lippen ſind gedoͤrrt, ſo, daß
die Triller nicht aus der Stelle wollen, eben ſo
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/401>, abgerufen am 22.11.2024.
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