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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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lief indessen allemal so ab, wie mit mir beym
Anfange. Zuletzt hatt' er sich zu tief in sei-
nen Spruch, ich komme bald, verwickelt,
oder war es väterliche Rührung? Kurz, ohne
Uebergang nahm er seine Agende und las:
"Lieben Freunde in dem Herrn"
"Gegenwärtige beyde Personen wollen sich
"in den Stand der Ehe begeben -- und so
"weiter."

Dies Formular, alt und wohlgemeynt,
war mir darum so rührend, weil ich mich all'
Augenblick befragte: wenn du da so mit Mi-
nen stündest? --

Der Prediger erzählt' uns nach der Trau-
ung, daß bey Hauscopulationen, die in
Preussen sehr häufig wären, gemeinhin das
Formular verbeten würde, und zwar wegen
des Fluchs und Segens des heiligen Ehestan-
des, der in diesem Formular so ehrlich, als
nur immer möglich, vorgetragen wird. --

Ists Wunder, daß Gott denen den Ehe-
seegen entzieht, deren zu feine Ohren die Ehe-
standsbeschwerden nicht einst in der Kirchen-
agende ertragen können? Leute, denen die
Bibel zu herb ist, Gottes Wort, was für ei-
nen schwachen Kopf und Herz müssen die
haben! --

"Und

lief indeſſen allemal ſo ab, wie mit mir beym
Anfange. Zuletzt hatt’ er ſich zu tief in ſei-
nen Spruch, ich komme bald, verwickelt,
oder war es vaͤterliche Ruͤhrung? Kurz, ohne
Uebergang nahm er ſeine Agende und las:
„Lieben Freunde in dem Herrn„
„Gegenwaͤrtige beyde Perſonen wollen ſich
„in den Stand der Ehe begeben — und ſo
„weiter.“

Dies Formular, alt und wohlgemeynt,
war mir darum ſo ruͤhrend, weil ich mich all’
Augenblick befragte: wenn du da ſo mit Mi-
nen ſtuͤndeſt? —

Der Prediger erzaͤhlt’ uns nach der Trau-
ung, daß bey Hauscopulationen, die in
Preuſſen ſehr haͤufig waͤren, gemeinhin das
Formular verbeten wuͤrde, und zwar wegen
des Fluchs und Segens des heiligen Eheſtan-
des, der in dieſem Formular ſo ehrlich, als
nur immer moͤglich, vorgetragen wird. —

Iſts Wunder, daß Gott denen den Ehe-
ſeegen entzieht, deren zu feine Ohren die Ehe-
ſtandsbeſchwerden nicht einſt in der Kirchen-
agende ertragen koͤnnen? Leute, denen die
Bibel zu herb iſt, Gottes Wort, was fuͤr ei-
nen ſchwachen Kopf und Herz muͤſſen die
haben! —

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[336/0342] lief indeſſen allemal ſo ab, wie mit mir beym Anfange. Zuletzt hatt’ er ſich zu tief in ſei- nen Spruch, ich komme bald, verwickelt, oder war es vaͤterliche Ruͤhrung? Kurz, ohne Uebergang nahm er ſeine Agende und las: „Lieben Freunde in dem Herrn„ „Gegenwaͤrtige beyde Perſonen wollen ſich „in den Stand der Ehe begeben — und ſo „weiter.“ Dies Formular, alt und wohlgemeynt, war mir darum ſo ruͤhrend, weil ich mich all’ Augenblick befragte: wenn du da ſo mit Mi- nen ſtuͤndeſt? — Der Prediger erzaͤhlt’ uns nach der Trau- ung, daß bey Hauscopulationen, die in Preuſſen ſehr haͤufig waͤren, gemeinhin das Formular verbeten wuͤrde, und zwar wegen des Fluchs und Segens des heiligen Eheſtan- des, der in dieſem Formular ſo ehrlich, als nur immer moͤglich, vorgetragen wird. — Iſts Wunder, daß Gott denen den Ehe- ſeegen entzieht, deren zu feine Ohren die Ehe- ſtandsbeſchwerden nicht einſt in der Kirchen- agende ertragen koͤnnen? Leute, denen die Bibel zu herb iſt, Gottes Wort, was fuͤr ei- nen ſchwachen Kopf und Herz muͤſſen die haben! — „Und

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/342>, abgerufen am 22.11.2024.