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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Der gute Mann hatte sich, das merkte
man, vorgesetzt, über Minchens Leichentext:
siehe ich komme bald, halt was du hast,
daß Niemand deine Krohne nehme,
auch
seine Hochzeitsrede zu halten; allein es fehlt'
ihm just so viel Zeit, um seiner Rede die gold-
besponnenen Knöpfe anzusetzen. Sonst war
sie fertig, in sechs Stunden wär alles ange-
heftet gewesen, und wir hätten gesehen, wie
dieser Text eben so gut für Minens Tod, als
für Gretchens Hochzeit, in der Offenbarung
Johannis des dritten Capitels eilften Vers
stünde. --

So gut es indessen dem Amtmann und
den beyden Töchtern der Dorfältesten lies,
eben so gut stand es auch dem guten Pastor.
Was ihm an gerundeten Perioden abgieng,
ersetzt er durchs Herz, und ich hätt' um vie-
les nicht diese Hochzeitrede mit der grundge-
lehrten Abhandlung von der Sünde wider den
heiligen Geist vertauscht, obgleich diese Ab-
handlung befeilt und beschliffen war und in
zwey gleichlautenden und gleichgebundenen
Exemplaren in der Bibliothek des Bräuti-
gams stand. Zehnmal schien es mir so, daß
es der Prediger dazu anlegte, mit diesem oder
jenem unter uns ein Wort zu wechseln. Es

lief

Der gute Mann hatte ſich, das merkte
man, vorgeſetzt, uͤber Minchens Leichentext:
ſiehe ich komme bald, halt was du haſt,
daß Niemand deine Krohne nehme,
auch
ſeine Hochzeitsrede zu halten; allein es fehlt’
ihm juſt ſo viel Zeit, um ſeiner Rede die gold-
beſponnenen Knoͤpfe anzuſetzen. Sonſt war
ſie fertig, in ſechs Stunden waͤr alles ange-
heftet geweſen, und wir haͤtten geſehen, wie
dieſer Text eben ſo gut fuͤr Minens Tod, als
fuͤr Gretchens Hochzeit, in der Offenbarung
Johannis des dritten Capitels eilften Vers
ſtuͤnde. —

So gut es indeſſen dem Amtmann und
den beyden Toͤchtern der Dorfaͤlteſten lies,
eben ſo gut ſtand es auch dem guten Paſtor.
Was ihm an gerundeten Perioden abgieng,
erſetzt er durchs Herz, und ich haͤtt’ um vie-
les nicht dieſe Hochzeitrede mit der grundge-
lehrten Abhandlung von der Suͤnde wider den
heiligen Geiſt vertauſcht, obgleich dieſe Ab-
handlung befeilt und beſchliffen war und in
zwey gleichlautenden und gleichgebundenen
Exemplaren in der Bibliothek des Braͤuti-
gams ſtand. Zehnmal ſchien es mir ſo, daß
es der Prediger dazu anlegte, mit dieſem oder
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[335/0341] Der gute Mann hatte ſich, das merkte man, vorgeſetzt, uͤber Minchens Leichentext: ſiehe ich komme bald, halt was du haſt, daß Niemand deine Krohne nehme, auch ſeine Hochzeitsrede zu halten; allein es fehlt’ ihm juſt ſo viel Zeit, um ſeiner Rede die gold- beſponnenen Knoͤpfe anzuſetzen. Sonſt war ſie fertig, in ſechs Stunden waͤr alles ange- heftet geweſen, und wir haͤtten geſehen, wie dieſer Text eben ſo gut fuͤr Minens Tod, als fuͤr Gretchens Hochzeit, in der Offenbarung Johannis des dritten Capitels eilften Vers ſtuͤnde. — So gut es indeſſen dem Amtmann und den beyden Toͤchtern der Dorfaͤlteſten lies, eben ſo gut ſtand es auch dem guten Paſtor. Was ihm an gerundeten Perioden abgieng, erſetzt er durchs Herz, und ich haͤtt’ um vie- les nicht dieſe Hochzeitrede mit der grundge- lehrten Abhandlung von der Suͤnde wider den heiligen Geiſt vertauſcht, obgleich dieſe Ab- handlung befeilt und beſchliffen war und in zwey gleichlautenden und gleichgebundenen Exemplaren in der Bibliothek des Braͤuti- gams ſtand. Zehnmal ſchien es mir ſo, daß es der Prediger dazu anlegte, mit dieſem oder jenem unter uns ein Wort zu wechſeln. Es lief

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/341>, abgerufen am 22.11.2024.