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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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fort, Heyrathen zu stiften; denn wo würd'
ich sonst Gelegenheit zu Särgern vorfinden?
Dieser Sonnenschein, den der Graf auf un-
sern Weinenden (ein Heulender zu seyn, hatt'
er ohnedem schon aufgehört) schießen lies,
trocknete seine Thränen, er hobelte weiter, oh-
ne seinem Herzen mit seiner Hobel zu nahe
zu kommen, und ihm einen Gnadenstoß bey-
zubringen.

Der Graf bat näher zu treten, und ich
weiß auf Ehre nicht, ob es meinen Lesern und
Leserinnen angenehm seyn werde, näher zu
kommen. Sie kennen den Grafen so gut, wie
ich, und wissen so gut, wie ich, daß ich sie
nicht nach Arkadien begleiten werde. Der
Graf würde recht in Egypten zu der Zeit an
Stell und Ort gewesen seyn, da in jedem
Hause ein Todter war, und was noch mehr
ist, die Kernfrische Erstgeburt. -- Der Graf
schien in seinen Todes Hör- und Sehsälen
sehr tolerant. Es sterben Christen und Gott-
gläubige Deisten bey mir, sagt' er. Wenn
gleich ich mit Gotteshülfe wie ein Christ zu
sterben der festen Zuversicht lebe; so will ich
doch mein Haus zum Sterbhaus und nicht
zur Mördergrube machen, das heißt: ich will
nicht Christen werben, und ehrlichen Heiden

in

fort, Heyrathen zu ſtiften; denn wo wuͤrd’
ich ſonſt Gelegenheit zu Saͤrgern vorfinden?
Dieſer Sonnenſchein, den der Graf auf un-
ſern Weinenden (ein Heulender zu ſeyn, hatt’
er ohnedem ſchon aufgehoͤrt) ſchießen lies,
trocknete ſeine Thraͤnen, er hobelte weiter, oh-
ne ſeinem Herzen mit ſeiner Hobel zu nahe
zu kommen, und ihm einen Gnadenſtoß bey-
zubringen.

Der Graf bat naͤher zu treten, und ich
weiß auf Ehre nicht, ob es meinen Leſern und
Leſerinnen angenehm ſeyn werde, naͤher zu
kommen. Sie kennen den Grafen ſo gut, wie
ich, und wiſſen ſo gut, wie ich, daß ich ſie
nicht nach Arkadien begleiten werde. Der
Graf wuͤrde recht in Egypten zu der Zeit an
Stell und Ort geweſen ſeyn, da in jedem
Hauſe ein Todter war, und was noch mehr
iſt, die Kernfriſche Erſtgeburt. — Der Graf
ſchien in ſeinen Todes Hoͤr- und Sehſaͤlen
ſehr tolerant. Es ſterben Chriſten und Gott-
glaͤubige Deiſten bey mir, ſagt’ er. Wenn
gleich ich mit Gotteshuͤlfe wie ein Chriſt zu
ſterben der feſten Zuverſicht lebe; ſo will ich
doch mein Haus zum Sterbhaus und nicht
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[28/0034] fort, Heyrathen zu ſtiften; denn wo wuͤrd’ ich ſonſt Gelegenheit zu Saͤrgern vorfinden? Dieſer Sonnenſchein, den der Graf auf un- ſern Weinenden (ein Heulender zu ſeyn, hatt’ er ohnedem ſchon aufgehoͤrt) ſchießen lies, trocknete ſeine Thraͤnen, er hobelte weiter, oh- ne ſeinem Herzen mit ſeiner Hobel zu nahe zu kommen, und ihm einen Gnadenſtoß bey- zubringen. Der Graf bat naͤher zu treten, und ich weiß auf Ehre nicht, ob es meinen Leſern und Leſerinnen angenehm ſeyn werde, naͤher zu kommen. Sie kennen den Grafen ſo gut, wie ich, und wiſſen ſo gut, wie ich, daß ich ſie nicht nach Arkadien begleiten werde. Der Graf wuͤrde recht in Egypten zu der Zeit an Stell und Ort geweſen ſeyn, da in jedem Hauſe ein Todter war, und was noch mehr iſt, die Kernfriſche Erſtgeburt. — Der Graf ſchien in ſeinen Todes Hoͤr- und Sehſaͤlen ſehr tolerant. Es ſterben Chriſten und Gott- glaͤubige Deiſten bey mir, ſagt’ er. Wenn gleich ich mit Gotteshuͤlfe wie ein Chriſt zu ſterben der feſten Zuverſicht lebe; ſo will ich doch mein Haus zum Sterbhaus und nicht zur Moͤrdergrube machen, das heißt: ich will nicht Chriſten werben, und ehrlichen Heiden in

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/34>, abgerufen am 23.11.2024.