Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Nathanael: ob sie ihren Brautschmuck anle-
gen sollte? -- Den können Sie nie ablegen,
erwiderte der galante Bräutigam. Wir ba-
ten alle, Gretchen möchte bleiben, wie sie
wäre, und diese Bitte machte uns wenig
Mühe, weil sie selbst dazu geneigt war. Sie
blieb, und die Natur selbst hätte sie nicht bes-
ser putzen können, als sies war. Sehet die
Lilien auf dem Felde! Und Salomo war nicht
gekleidet, wie derselben eine! -- Wahrlich
Gretchen war eine schöne Feldblume! -- Wie
schön sie da stand! Nathanael konnt' es ohne
Puder nicht laßen, sonst konnt' er seiner Ga-
lanterie keine Elle mehr zusetzen; er war wie
aus einem Putzkästchen gezogen. -- Der
Amtmann war nicht im Stande, sich ans
seinem Erstaunen heraus zu finden. Er hatte
sein Kleid mit den Goldbesponnenen Knöpfen
noch nicht herausgepackt, und nun war es
zu spät. Der Organist bat um Verzeihung,
daß er kein hochzeitlich Kleid anhatte, und
während aller dieser Dinge kamen die Beglei-
ter zu Hauf. Gretchen bat mich um Blu-
men, die ich ihr zitternd brachte; ich hätt' ihr
gewiß keine gepflückt, wenn sies nicht selbst
verlangt hätte. Sie nahm diese Blumen mit
einem Blick entgegen, der mir durchs Herz

gieng,

Nathanael: ob ſie ihren Brautſchmuck anle-
gen ſollte? — Den koͤnnen Sie nie ablegen,
erwiderte der galante Braͤutigam. Wir ba-
ten alle, Gretchen moͤchte bleiben, wie ſie
waͤre, und dieſe Bitte machte uns wenig
Muͤhe, weil ſie ſelbſt dazu geneigt war. Sie
blieb, und die Natur ſelbſt haͤtte ſie nicht beſ-
ſer putzen koͤnnen, als ſies war. Sehet die
Lilien auf dem Felde! Und Salomo war nicht
gekleidet, wie derſelben eine! — Wahrlich
Gretchen war eine ſchoͤne Feldblume! — Wie
ſchoͤn ſie da ſtand! Nathanael konnt’ es ohne
Puder nicht laßen, ſonſt konnt’ er ſeiner Ga-
lanterie keine Elle mehr zuſetzen; er war wie
aus einem Putzkaͤſtchen gezogen. — Der
Amtmann war nicht im Stande, ſich ans
ſeinem Erſtaunen heraus zu finden. Er hatte
ſein Kleid mit den Goldbeſponnenen Knoͤpfen
noch nicht herausgepackt, und nun war es
zu ſpaͤt. Der Organiſt bat um Verzeihung,
daß er kein hochzeitlich Kleid anhatte, und
waͤhrend aller dieſer Dinge kamen die Beglei-
ter zu Hauf. Gretchen bat mich um Blu-
men, die ich ihr zitternd brachte; ich haͤtt’ ihr
gewiß keine gepfluͤckt, wenn ſies nicht ſelbſt
verlangt haͤtte. Sie nahm dieſe Blumen mit
einem Blick entgegen, der mir durchs Herz

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[332/0338] Nathanael: ob ſie ihren Brautſchmuck anle- gen ſollte? — Den koͤnnen Sie nie ablegen, erwiderte der galante Braͤutigam. Wir ba- ten alle, Gretchen moͤchte bleiben, wie ſie waͤre, und dieſe Bitte machte uns wenig Muͤhe, weil ſie ſelbſt dazu geneigt war. Sie blieb, und die Natur ſelbſt haͤtte ſie nicht beſ- ſer putzen koͤnnen, als ſies war. Sehet die Lilien auf dem Felde! Und Salomo war nicht gekleidet, wie derſelben eine! — Wahrlich Gretchen war eine ſchoͤne Feldblume! — Wie ſchoͤn ſie da ſtand! Nathanael konnt’ es ohne Puder nicht laßen, ſonſt konnt’ er ſeiner Ga- lanterie keine Elle mehr zuſetzen; er war wie aus einem Putzkaͤſtchen gezogen. — Der Amtmann war nicht im Stande, ſich ans ſeinem Erſtaunen heraus zu finden. Er hatte ſein Kleid mit den Goldbeſponnenen Knoͤpfen noch nicht herausgepackt, und nun war es zu ſpaͤt. Der Organiſt bat um Verzeihung, daß er kein hochzeitlich Kleid anhatte, und waͤhrend aller dieſer Dinge kamen die Beglei- ter zu Hauf. Gretchen bat mich um Blu- men, die ich ihr zitternd brachte; ich haͤtt’ ihr gewiß keine gepfluͤckt, wenn ſies nicht ſelbſt verlangt haͤtte. Sie nahm dieſe Blumen mit einem Blick entgegen, der mir durchs Herz gieng,

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Zitationshilfe:	Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/338>, abgerufen am 25.11.2024.

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