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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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so mächtig beschützet. Wenn er es gen Him-
mel hielt und schwur, bogen sie sanft seine
Hände zur Erde. Niemand wuste, woran
es mit Hansen war. Lieber Sohn, fiengen
die Eltern an, du bist mehr todt, als sie!
Endlich gieng allen ein Licht auf. Hans ward
eingezogen. Er sahe die Gerichtsdiener, die
ihn fesselten, als seine Wohlthäter an, die
ihm den Tod, das einzige Verband für seinen
Schmerz, mitbrachten! -- Der Abschied war
rührend. Er bat Gretchen um Vergebung;
sie versicherte, daß sie ihm nichts zu vergeben
hätte, und da sie endlich einsahe, daß alle
ihre Bemühungen, Hansen zu retten, verge-
bens wären, rang sie die Hände, und weinte
so herzlich, daß selbst die Gerichtsdiener zu
weinen anfiengen. Hansen ward der Proceß
gemacht. Er konnte die Zeit nicht abwarten,
sein Todesurtel zu hören. Wenn ich doch an
einem Tage mit ihr sterben könnte, das war
der einzigste Wunsch, den er noch in dieser
Welt hatte. Eben an dem Tage, da sich die
Richter einigten, daß Hansen, als einem Un-
menschen, der den Vorsatz gehabt, auf der
Landstraße zu morden, sein Leben auf eine
schreckliche Art, vor aller Welt Augen, ge-
nommen werden sollte, war es ausgemacht,

daß
T 3

ſo maͤchtig beſchuͤtzet. Wenn er es gen Him-
mel hielt und ſchwur, bogen ſie ſanft ſeine
Haͤnde zur Erde. Niemand wuſte, woran
es mit Hanſen war. Lieber Sohn, fiengen
die Eltern an, du biſt mehr todt, als ſie!
Endlich gieng allen ein Licht auf. Hans ward
eingezogen. Er ſahe die Gerichtsdiener, die
ihn feſſelten, als ſeine Wohlthaͤter an, die
ihm den Tod, das einzige Verband fuͤr ſeinen
Schmerz, mitbrachten! — Der Abſchied war
ruͤhrend. Er bat Gretchen um Vergebung;
ſie verſicherte, daß ſie ihm nichts zu vergeben
haͤtte, und da ſie endlich einſahe, daß alle
ihre Bemuͤhungen, Hanſen zu retten, verge-
bens waͤren, rang ſie die Haͤnde, und weinte
ſo herzlich, daß ſelbſt die Gerichtsdiener zu
weinen anfiengen. Hanſen ward der Proceß
gemacht. Er konnte die Zeit nicht abwarten,
ſein Todesurtel zu hoͤren. Wenn ich doch an
einem Tage mit ihr ſterben koͤnnte, das war
der einzigſte Wunſch, den er noch in dieſer
Welt hatte. Eben an dem Tage, da ſich die
Richter einigten, daß Hanſen, als einem Un-
menſchen, der den Vorſatz gehabt, auf der
Landſtraße zu morden, ſein Leben auf eine
ſchreckliche Art, vor aller Welt Augen, ge-
nommen werden ſollte, war es ausgemacht,

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[293/0299] ſo maͤchtig beſchuͤtzet. Wenn er es gen Him- mel hielt und ſchwur, bogen ſie ſanft ſeine Haͤnde zur Erde. Niemand wuſte, woran es mit Hanſen war. Lieber Sohn, fiengen die Eltern an, du biſt mehr todt, als ſie! Endlich gieng allen ein Licht auf. Hans ward eingezogen. Er ſahe die Gerichtsdiener, die ihn feſſelten, als ſeine Wohlthaͤter an, die ihm den Tod, das einzige Verband fuͤr ſeinen Schmerz, mitbrachten! — Der Abſchied war ruͤhrend. Er bat Gretchen um Vergebung; ſie verſicherte, daß ſie ihm nichts zu vergeben haͤtte, und da ſie endlich einſahe, daß alle ihre Bemuͤhungen, Hanſen zu retten, verge- bens waͤren, rang ſie die Haͤnde, und weinte ſo herzlich, daß ſelbſt die Gerichtsdiener zu weinen anfiengen. Hanſen ward der Proceß gemacht. Er konnte die Zeit nicht abwarten, ſein Todesurtel zu hoͤren. Wenn ich doch an einem Tage mit ihr ſterben koͤnnte, das war der einzigſte Wunſch, den er noch in dieſer Welt hatte. Eben an dem Tage, da ſich die Richter einigten, daß Hanſen, als einem Un- menſchen, der den Vorſatz gehabt, auf der Landſtraße zu morden, ſein Leben auf eine ſchreckliche Art, vor aller Welt Augen, ge- nommen werden ſollte, war es ausgemacht, daß T 3

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/299>, abgerufen am 26.11.2024.