aus ihres Vaters Hause gieng, und Gret- chen öffentlich die Hand reichte. Gott! schrie sie, Gott! nimm meinen Geist auf! Sie war über und über mit Blut bedeckt, und schwamm in ihrem Blut. Die Stiere brüllten auf eine so schreckliche Art, daß dem Mörder ihrent- wegen das erste Grausen ankam. Sie kamen hinzugelaufen, als ob sie diese That verhin- dern wollten, sie liefen davon, als ob ihnen der Anblick zu schwer würde. Nun fragte Hans lächelnd: (es war das letztemahl, daß er lachte) wen wilst du jetzt lieben, Ungetreue? Dich, antwortete Grete, und Blut schoß aus ihrem Herzen. Dich, wiederhohlte sie und drückte Hansen auf eine Art die Hand, daß er seinen ganzen entsetzlichen Irthum einsahe. Jetzt hatte er der Stiere nicht mehr nöthig; das Grausen kam von selbst. Er warf sich auf die Erde, schrie nach Rettung, sprang auf, eilte selbst, Hülfe zu suchen, in ein be- nachbartes Städtchen -- und fand den Wundarzt nicht an Ort und Stelle. Alles hatte er Gretchen zur Hülfe aufgeboten. Nun kam er, wie ein Verdammter, der um einen Tropfen Wasser bettelt, und ihn nicht erhält, und fand den Wundarzt, den Gretchens El- tern aufgefunden, fand die Eltern selbst, die
ihm
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aus ihres Vaters Hauſe gieng, und Gret- chen oͤffentlich die Hand reichte. Gott! ſchrie ſie, Gott! nimm meinen Geiſt auf! Sie war uͤber und uͤber mit Blut bedeckt, und ſchwamm in ihrem Blut. Die Stiere bruͤllten auf eine ſo ſchreckliche Art, daß dem Moͤrder ihrent- wegen das erſte Grauſen ankam. Sie kamen hinzugelaufen, als ob ſie dieſe That verhin- dern wollten, ſie liefen davon, als ob ihnen der Anblick zu ſchwer wuͤrde. Nun fragte Hans laͤchelnd: (es war das letztemahl, daß er lachte) wen wilſt du jetzt lieben, Ungetreue? Dich, antwortete Grete, und Blut ſchoß aus ihrem Herzen. Dich, wiederhohlte ſie und druͤckte Hanſen auf eine Art die Hand, daß er ſeinen ganzen entſetzlichen Irthum einſahe. Jetzt hatte er der Stiere nicht mehr noͤthig; das Grauſen kam von ſelbſt. Er warf ſich auf die Erde, ſchrie nach Rettung, ſprang auf, eilte ſelbſt, Huͤlfe zu ſuchen, in ein be- nachbartes Staͤdtchen — und fand den Wundarzt nicht an Ort und Stelle. Alles hatte er Gretchen zur Huͤlfe aufgeboten. Nun kam er, wie ein Verdammter, der um einen Tropfen Waſſer bettelt, und ihn nicht erhaͤlt, und fand den Wundarzt, den Gretchens El- tern aufgefunden, fand die Eltern ſelbſt, die
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aus ihres Vaters Hauſe gieng, und Gret-
chen oͤffentlich die Hand reichte. Gott! ſchrie
ſie, Gott! nimm meinen Geiſt auf! Sie war
uͤber und uͤber mit Blut bedeckt, und ſchwamm
in ihrem Blut. Die Stiere bruͤllten auf eine
ſo ſchreckliche Art, daß dem Moͤrder ihrent-
wegen das erſte Grauſen ankam. Sie kamen
hinzugelaufen, als ob ſie dieſe That verhin-
dern wollten, ſie liefen davon, als ob ihnen
der Anblick zu ſchwer wuͤrde. Nun fragte
Hans laͤchelnd: (es war das letztemahl, daß
er lachte) wen wilſt du jetzt lieben, Ungetreue?
Dich, antwortete Grete, und Blut ſchoß aus
ihrem Herzen. Dich, wiederhohlte ſie und
druͤckte Hanſen auf eine Art die Hand, daß
er ſeinen ganzen entſetzlichen Irthum einſahe.
Jetzt hatte er der Stiere nicht mehr noͤthig;
das Grauſen kam von ſelbſt. Er warf ſich
auf die Erde, ſchrie nach Rettung, ſprang
auf, eilte ſelbſt, Huͤlfe zu ſuchen, in ein be-
nachbartes Staͤdtchen — und fand den
Wundarzt nicht an Ort und Stelle. Alles
hatte er Gretchen zur Huͤlfe aufgeboten. Nun
kam er, wie ein Verdammter, der um einen
Tropfen Waſſer bettelt, und ihn nicht erhaͤlt,
und fand den Wundarzt, den Gretchens El-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/297>, abgerufen am 23.11.2024.
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