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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Der Graf hielt Ahndungen für Warnun-
gen guter uns verwandter Geister, für Oran-
genblüthen, die wir noch aus dem Paradiese
gebracht. --

Sein Trost war der Tod! Ich, sagt er,
bin nicht für leidige Tröster. Gemeinhin ist
der Trost ein beglaubtes Zeugnis, daß wir
mit leiden. Wir wollen uns überreden, der
Tröster nehme einen Theil Leiden auf sich.
Wir wollen gewis seyn, daß Niemand froh
und glücklich in der Welt seyn könne. --

Kunstrichter, die ihr diesen Hochgebohr-
nen Mann angreifen wolt, laßt ihn, wenn
ich bitten darf -- und ist es möglich; erlaubt
mir die Frage: ob euch vindicta Lycurgi be-
kannt sey? Ein Studiosus, wie ihr, hatte
dem Lycurgus ein Fenster eingeschlagen, oder,
weil euch vielleicht die Lycurgische Geschichte
nicht beywohnen dörfte, es war das Auge
selbst, das er ihm ausschlug. Das Crimi-
nalgericht beschlos in diesem besondern Ca-
sualvorfall, den Jüngling dem Lycurgus zur
Strafe zu übergeben. Was eröfnete Lycur-
gus für eine Sentenz? Schickt' er ihn in die
Festung, oder ins Irrhaus? Nein, die Hand,
sagt' er zum Augenräuber! Studiosus gab
sie, wie natürlich, Sr. Magnificenz mit Zit-

tern
Q 2

Der Graf hielt Ahndungen fuͤr Warnun-
gen guter uns verwandter Geiſter, fuͤr Oran-
genbluͤthen, die wir noch aus dem Paradieſe
gebracht. —

Sein Troſt war der Tod! Ich, ſagt er,
bin nicht fuͤr leidige Troͤſter. Gemeinhin iſt
der Troſt ein beglaubtes Zeugnis, daß wir
mit leiden. Wir wollen uns uͤberreden, der
Troͤſter nehme einen Theil Leiden auf ſich.
Wir wollen gewis ſeyn, daß Niemand froh
und gluͤcklich in der Welt ſeyn koͤnne. —

Kunſtrichter, die ihr dieſen Hochgebohr-
nen Mann angreifen wolt, laßt ihn, wenn
ich bitten darf — und iſt es moͤglich; erlaubt
mir die Frage: ob euch vindicta Lycurgi be-
kannt ſey? Ein Studioſus, wie ihr, hatte
dem Lycurgus ein Fenſter eingeſchlagen, oder,
weil euch vielleicht die Lycurgiſche Geſchichte
nicht beywohnen doͤrfte, es war das Auge
ſelbſt, das er ihm ausſchlug. Das Crimi-
nalgericht beſchlos in dieſem beſondern Ca-
ſualvorfall, den Juͤngling dem Lycurgus zur
Strafe zu uͤbergeben. Was eroͤfnete Lycur-
gus fuͤr eine Sentenz? Schickt’ er ihn in die
Feſtung, oder ins Irrhaus? Nein, die Hand,
ſagt’ er zum Augenraͤuber! Studioſus gab
ſie, wie natuͤrlich, Sr. Magnificenz mit Zit-

tern
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[243/0249] Der Graf hielt Ahndungen fuͤr Warnun- gen guter uns verwandter Geiſter, fuͤr Oran- genbluͤthen, die wir noch aus dem Paradieſe gebracht. — Sein Troſt war der Tod! Ich, ſagt er, bin nicht fuͤr leidige Troͤſter. Gemeinhin iſt der Troſt ein beglaubtes Zeugnis, daß wir mit leiden. Wir wollen uns uͤberreden, der Troͤſter nehme einen Theil Leiden auf ſich. Wir wollen gewis ſeyn, daß Niemand froh und gluͤcklich in der Welt ſeyn koͤnne. — Kunſtrichter, die ihr dieſen Hochgebohr- nen Mann angreifen wolt, laßt ihn, wenn ich bitten darf — und iſt es moͤglich; erlaubt mir die Frage: ob euch vindicta Lycurgi be- kannt ſey? Ein Studioſus, wie ihr, hatte dem Lycurgus ein Fenſter eingeſchlagen, oder, weil euch vielleicht die Lycurgiſche Geſchichte nicht beywohnen doͤrfte, es war das Auge ſelbſt, das er ihm ausſchlug. Das Crimi- nalgericht beſchlos in dieſem beſondern Ca- ſualvorfall, den Juͤngling dem Lycurgus zur Strafe zu uͤbergeben. Was eroͤfnete Lycur- gus fuͤr eine Sentenz? Schickt’ er ihn in die Feſtung, oder ins Irrhaus? Nein, die Hand, ſagt’ er zum Augenraͤuber! Studioſus gab ſie, wie natuͤrlich, Sr. Magnificenz mit Zit- tern Q 2

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/249>, abgerufen am 23.11.2024.