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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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Bis zum letzten Seufzer, sagt man. War-
um nicht bis zum letzten Lächeln? Weil das
Leben ein Jammerthal ist, und doch kommt
der letzte Augenblick, die letzte Stunde, sehr
oft, wie der Geist des Herrn im sanften
Winde. -- Da sieht vielleicht die Seele den
Engel, der sie aus Sodom führen will.
Stehe auf, hebe dein Bett auf, und gehe
heim!

Ein böser schneller Tod ist ein guter
Mann, und ein böses Weib. --

Der Tod ist nicht Gottes peinliche Hals-
gerichtsordnung. Gemeinhin sprechen wir
uns selbst das Todesurtel. Die Art des To-
des gründet sich auf die Art unseres Lebens,
wenn diese Todesart nicht schon eine Erbsünde
ist. Der stirbt an Zangenrissen, an Stichen;
der wird verbrant, und stirbt am hitzigen Fie-
ber. Der wird gehangen, und stirbt am
Schlagfluß. Wir sitzen alle auf den Tod. --

Wo die Praxis nicht der Theorie vorgeht,
da verdient sie kaum den Namen.

Jeder Schwindsüchtige, der unter meiner
Aufsicht gestorben, hat den Wunsch geäus-
sert, ein hohes Sarg zu haben! So sind
die Menschen!

Der

Bis zum letzten Seufzer, ſagt man. War-
um nicht bis zum letzten Laͤcheln? Weil das
Leben ein Jammerthal iſt, und doch kommt
der letzte Augenblick, die letzte Stunde, ſehr
oft, wie der Geiſt des Herrn im ſanften
Winde. — Da ſieht vielleicht die Seele den
Engel, der ſie aus Sodom fuͤhren will.
Stehe auf, hebe dein Bett auf, und gehe
heim!

Ein boͤſer ſchneller Tod iſt ein guter
Mann, und ein boͤſes Weib. —

Der Tod iſt nicht Gottes peinliche Hals-
gerichtsordnung. Gemeinhin ſprechen wir
uns ſelbſt das Todesurtel. Die Art des To-
des gruͤndet ſich auf die Art unſeres Lebens,
wenn dieſe Todesart nicht ſchon eine Erbſuͤnde
iſt. Der ſtirbt an Zangenriſſen, an Stichen;
der wird verbrant, und ſtirbt am hitzigen Fie-
ber. Der wird gehangen, und ſtirbt am
Schlagfluß. Wir ſitzen alle auf den Tod. —

Wo die Praxis nicht der Theorie vorgeht,
da verdient ſie kaum den Namen.

Jeder Schwindſuͤchtige, der unter meiner
Aufſicht geſtorben, hat den Wunſch geaͤuſ-
ſert, ein hohes Sarg zu haben! So ſind
die Menſchen!

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[242/0248] Bis zum letzten Seufzer, ſagt man. War- um nicht bis zum letzten Laͤcheln? Weil das Leben ein Jammerthal iſt, und doch kommt der letzte Augenblick, die letzte Stunde, ſehr oft, wie der Geiſt des Herrn im ſanften Winde. — Da ſieht vielleicht die Seele den Engel, der ſie aus Sodom fuͤhren will. Stehe auf, hebe dein Bett auf, und gehe heim! Ein boͤſer ſchneller Tod iſt ein guter Mann, und ein boͤſes Weib. — Der Tod iſt nicht Gottes peinliche Hals- gerichtsordnung. Gemeinhin ſprechen wir uns ſelbſt das Todesurtel. Die Art des To- des gruͤndet ſich auf die Art unſeres Lebens, wenn dieſe Todesart nicht ſchon eine Erbſuͤnde iſt. Der ſtirbt an Zangenriſſen, an Stichen; der wird verbrant, und ſtirbt am hitzigen Fie- ber. Der wird gehangen, und ſtirbt am Schlagfluß. Wir ſitzen alle auf den Tod. — Wo die Praxis nicht der Theorie vorgeht, da verdient ſie kaum den Namen. Jeder Schwindſuͤchtige, der unter meiner Aufſicht geſtorben, hat den Wunſch geaͤuſ- ſert, ein hohes Sarg zu haben! So ſind die Menſchen! Der

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/248>, abgerufen am 23.11.2024.