Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Boden ausstoßen würden, da würde sie denn
liegen in ihren Ruinen. Regeln sind das Salz
der Erden, wenn aber das Salz dumm wird,
womit will man salzen? Erzähl' ein Wunder
von heut und gestern oder ehegestern, wo
findest du Glauben, und warum dieser Unglau-
be? Hat denn Treu und Glauben aufgehört
auf Erden? Nicht also, wohlmeinender Zeter-
rufer! Die Natur nahm ihren Anfang durch
ein Wunder. Wunder genug! Jezt ist alles
ohne Sprung. Die Sphärenmusik ist ein
einfaches Lied und keine Ode. Es geht na-
türlich zu, heißt: es versteht sich alles von selbst:
die allerortodoxesten wundervollsten Geistli-
chen selbst, haben den Wundern Ziel und Maas
setzen müßen. Bis dahin, und weiter nicht,
sollten die Ausnahmen von der Regel statt fin-
den und die Wundergaben im Schwange ge-
hen. -- Die alten Propheten sind todt. Die
neuern haben kein Creditiv vorzeigen können;
ob gleich meine Mutter jederzeit über die we-
nige Aufmunterung für die junge Propheten
die Achseln zog. Wenn wir keine junge Prophe-
ten leiden, werden wir auch keine alten ziehen.
Jung gewohnt, setzte sie hinzu, alt gethan.

Sie verstand indessen durch einen Prophe-
ten, nur einen Superintendenten, der ein

paar

Boden ausſtoßen wuͤrden, da wuͤrde ſie denn
liegen in ihren Ruinen. Regeln ſind das Salz
der Erden, wenn aber das Salz dumm wird,
womit will man ſalzen? Erzaͤhl’ ein Wunder
von heut und geſtern oder ehegeſtern, wo
findeſt du Glauben, und warum dieſer Unglau-
be? Hat denn Treu und Glauben aufgehoͤrt
auf Erden? Nicht alſo, wohlmeinender Zeter-
rufer! Die Natur nahm ihren Anfang durch
ein Wunder. Wunder genug! Jezt iſt alles
ohne Sprung. Die Sphaͤrenmuſik iſt ein
einfaches Lied und keine Ode. Es geht na-
tuͤrlich zu, heißt: es verſteht ſich alles von ſelbſt:
die allerortodoxeſten wundervollſten Geiſtli-
chen ſelbſt, haben den Wundern Ziel und Maas
ſetzen muͤßen. Bis dahin, und weiter nicht,
ſollten die Ausnahmen von der Regel ſtatt fin-
den und die Wundergaben im Schwange ge-
hen. — Die alten Propheten ſind todt. Die
neuern haben kein Creditiv vorzeigen koͤnnen;
ob gleich meine Mutter jederzeit uͤber die we-
nige Aufmunterung fuͤr die junge Propheten
die Achſeln zog. Wenn wir keine junge Prophe-
ten leiden, werden wir auch keine alten ziehen.
Jung gewohnt, ſetzte ſie hinzu, alt gethan.

Sie verſtand indeſſen durch einen Prophe-
ten, nur einen Superintendenten, der ein

paar
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0020" n="14"/>
Boden aus&#x017F;toßen wu&#x0364;rden, da wu&#x0364;rde &#x017F;ie denn<lb/>
liegen in ihren Ruinen. Regeln &#x017F;ind das Salz<lb/>
der Erden, wenn aber das Salz dumm wird,<lb/>
womit will man &#x017F;alzen? Erza&#x0364;hl&#x2019; ein Wunder<lb/>
von heut und ge&#x017F;tern oder ehege&#x017F;tern, wo<lb/>
finde&#x017F;t du Glauben, und warum die&#x017F;er Unglau-<lb/>
be? Hat denn Treu und Glauben aufgeho&#x0364;rt<lb/>
auf Erden? Nicht al&#x017F;o, wohlmeinender Zeter-<lb/>
rufer! Die Natur nahm ihren Anfang durch<lb/>
ein Wunder. Wunder genug! Jezt i&#x017F;t alles<lb/>
ohne Sprung. Die Spha&#x0364;renmu&#x017F;ik i&#x017F;t ein<lb/>
einfaches Lied und keine Ode. Es geht na-<lb/>
tu&#x0364;rlich zu, heißt: es ver&#x017F;teht &#x017F;ich alles von &#x017F;elb&#x017F;t:<lb/>
die allerortodoxe&#x017F;ten wundervoll&#x017F;ten Gei&#x017F;tli-<lb/>
chen &#x017F;elb&#x017F;t, haben den Wundern Ziel und Maas<lb/>
&#x017F;etzen mu&#x0364;ßen. Bis dahin, und weiter nicht,<lb/>
&#x017F;ollten die Ausnahmen von der Regel &#x017F;tatt fin-<lb/>
den und die Wundergaben im Schwange ge-<lb/>
hen. &#x2014; Die alten Propheten &#x017F;ind todt. Die<lb/>
neuern haben kein Creditiv vorzeigen ko&#x0364;nnen;<lb/>
ob gleich meine Mutter jederzeit u&#x0364;ber die we-<lb/>
nige Aufmunterung fu&#x0364;r die junge Propheten<lb/>
die Ach&#x017F;eln zog. Wenn wir keine junge Prophe-<lb/>
ten leiden, werden wir auch keine alten ziehen.<lb/>
Jung gewohnt, &#x017F;etzte &#x017F;ie hinzu, alt gethan.</p><lb/>
        <p>Sie ver&#x017F;tand inde&#x017F;&#x017F;en durch einen Prophe-<lb/>
ten, nur einen Superintendenten, der ein<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">paar</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0020] Boden ausſtoßen wuͤrden, da wuͤrde ſie denn liegen in ihren Ruinen. Regeln ſind das Salz der Erden, wenn aber das Salz dumm wird, womit will man ſalzen? Erzaͤhl’ ein Wunder von heut und geſtern oder ehegeſtern, wo findeſt du Glauben, und warum dieſer Unglau- be? Hat denn Treu und Glauben aufgehoͤrt auf Erden? Nicht alſo, wohlmeinender Zeter- rufer! Die Natur nahm ihren Anfang durch ein Wunder. Wunder genug! Jezt iſt alles ohne Sprung. Die Sphaͤrenmuſik iſt ein einfaches Lied und keine Ode. Es geht na- tuͤrlich zu, heißt: es verſteht ſich alles von ſelbſt: die allerortodoxeſten wundervollſten Geiſtli- chen ſelbſt, haben den Wundern Ziel und Maas ſetzen muͤßen. Bis dahin, und weiter nicht, ſollten die Ausnahmen von der Regel ſtatt fin- den und die Wundergaben im Schwange ge- hen. — Die alten Propheten ſind todt. Die neuern haben kein Creditiv vorzeigen koͤnnen; ob gleich meine Mutter jederzeit uͤber die we- nige Aufmunterung fuͤr die junge Propheten die Achſeln zog. Wenn wir keine junge Prophe- ten leiden, werden wir auch keine alten ziehen. Jung gewohnt, ſetzte ſie hinzu, alt gethan. Sie verſtand indeſſen durch einen Prophe- ten, nur einen Superintendenten, der ein paar

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/20
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/20>, abgerufen am 23.11.2024.