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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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paar Zoll höher wäre (im Kunstwort mehr
hätte) als der regierende Herr in Curland. --

Wie kommts aber, daß alles die Ohren
spitzt, wenn vom Wunderbaren die Red ist?
Das kommt, weil der Verstand steif und fest
auf seine Regel hält, und den Feind kennen
lernen will, der diese seine Veste einzunehmen
drohet. Das kommt, weil der Verstand sein
Richteramt beweisen und Urtel und Recht
eröfnen will, wider den, der die Grenzen zu
verletzen drohet. Das kommt auch, würde
meine Mutter sagen, "durch Adams Fall
und Missethat."
Wahrlich! der Mensch
ist sehr zum Fall geneigt, wer steht, mag wohl
zusehen, daß er nicht falle. Wir nähren all
eine paradisische Schlange im Busen. Der
Mensch hat zuweilen einen schrecklichen Hang
zum Aufruhr. --

Alles dies, und noch mehr von der nemli-
chen Manier, brachte den Prediger nicht wei-
ter auf meines Vaters Bleyfeder, wiewohl er
noch öfter als zuvor an reinen Druck und an
weißes Papier dachte. Kostbar sey er nicht,
nur rein. --

So viel weiß ich, daß ich meine Zeit in
L * * nach den akademischen Wünschen gut
angewendet habe. Gott segnete auch meine

Stu-

paar Zoll hoͤher waͤre (im Kunſtwort mehr
haͤtte) als der regierende Herr in Curland. —

Wie kommts aber, daß alles die Ohren
ſpitzt, wenn vom Wunderbaren die Red iſt?
Das kommt, weil der Verſtand ſteif und feſt
auf ſeine Regel haͤlt, und den Feind kennen
lernen will, der dieſe ſeine Veſte einzunehmen
drohet. Das kommt, weil der Verſtand ſein
Richteramt beweiſen und Urtel und Recht
eroͤfnen will, wider den, der die Grenzen zu
verletzen drohet. Das kommt auch, wuͤrde
meine Mutter ſagen, „durch Adams Fall
und Miſſethat.„
Wahrlich! der Menſch
iſt ſehr zum Fall geneigt, wer ſteht, mag wohl
zuſehen, daß er nicht falle. Wir naͤhren all
eine paradiſiſche Schlange im Buſen. Der
Menſch hat zuweilen einen ſchrecklichen Hang
zum Aufruhr. —

Alles dies, und noch mehr von der nemli-
chen Manier, brachte den Prediger nicht wei-
ter auf meines Vaters Bleyfeder, wiewohl er
noch oͤfter als zuvor an reinen Druck und an
weißes Papier dachte. Koſtbar ſey er nicht,
nur rein. —

So viel weiß ich, daß ich meine Zeit in
L * * nach den akademiſchen Wuͤnſchen gut
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[15/0021] paar Zoll hoͤher waͤre (im Kunſtwort mehr haͤtte) als der regierende Herr in Curland. — Wie kommts aber, daß alles die Ohren ſpitzt, wenn vom Wunderbaren die Red iſt? Das kommt, weil der Verſtand ſteif und feſt auf ſeine Regel haͤlt, und den Feind kennen lernen will, der dieſe ſeine Veſte einzunehmen drohet. Das kommt, weil der Verſtand ſein Richteramt beweiſen und Urtel und Recht eroͤfnen will, wider den, der die Grenzen zu verletzen drohet. Das kommt auch, wuͤrde meine Mutter ſagen, „durch Adams Fall und Miſſethat.„ Wahrlich! der Menſch iſt ſehr zum Fall geneigt, wer ſteht, mag wohl zuſehen, daß er nicht falle. Wir naͤhren all eine paradiſiſche Schlange im Buſen. Der Menſch hat zuweilen einen ſchrecklichen Hang zum Aufruhr. — Alles dies, und noch mehr von der nemli- chen Manier, brachte den Prediger nicht wei- ter auf meines Vaters Bleyfeder, wiewohl er noch oͤfter als zuvor an reinen Druck und an weißes Papier dachte. Koſtbar ſey er nicht, nur rein. — So viel weiß ich, daß ich meine Zeit in L * * nach den akademiſchen Wuͤnſchen gut angewendet habe. Gott ſegnete auch meine Stu-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/21>, abgerufen am 26.04.2024.