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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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gen Geist uns darauf gebracht hatte, im Ge-
spräch von der heiligen Regel an, die man
in Ehren halten müßte, wenn gleich sonst alles
über und über gienge.

Alles in der Natur sucht sich an etwas zu
halten. Der Verstand an der Regel, die er
als Gottes Bild ehret, und wahrlich! sie ist
Gottes Bild. Sie ist nicht Buchstab, sie ist
Geist von Geist. Meine Mutter würde sa-
gen: Diese Regel streichen, heißt: wider besser
Wissen und Gewissen handeln und wandeln.
Wehe dem Menschen! durch welchen Aerger-
nis wider diesen heiligen Geist kommt, es wä-
re besser, daß ein Mühlstein an seinen Hals
gehenkt, und er ersäufet würd im Meer, wo es
am tiefsten ist. Dies ist das eigentliche Ver-
brechen der beleidigten göttlichen Majestät,
nicht aber das, was Stadt- Land- und Kay-
serrecht so nennt.

Wolte Gott! setzt ich hinzu, Ihr Werk wür-
de diesem Aergernis steuren und wehren! Man
kann nicht wissen, antwortete der Prediger.

Was würd aus uns werden ohne Regel?
Da würd all' Augenblick einer seinen Zauber-
stock aufheben, und das Volk würd ihm die-
nen. Warum überzeugen wir uns jetzt nicht
von Zaubereyen? Weil wir der Regel den

Bo-

gen Geiſt uns darauf gebracht hatte, im Ge-
ſpraͤch von der heiligen Regel an, die man
in Ehren halten muͤßte, wenn gleich ſonſt alles
uͤber und uͤber gienge.

Alles in der Natur ſucht ſich an etwas zu
halten. Der Verſtand an der Regel, die er
als Gottes Bild ehret, und wahrlich! ſie iſt
Gottes Bild. Sie iſt nicht Buchſtab, ſie iſt
Geiſt von Geiſt. Meine Mutter wuͤrde ſa-
gen: Dieſe Regel ſtreichen, heißt: wider beſſer
Wiſſen und Gewiſſen handeln und wandeln.
Wehe dem Menſchen! durch welchen Aerger-
nis wider dieſen heiligen Geiſt kommt, es waͤ-
re beſſer, daß ein Muͤhlſtein an ſeinen Hals
gehenkt, und er erſaͤufet wuͤrd im Meer, wo es
am tiefſten iſt. Dies iſt das eigentliche Ver-
brechen der beleidigten goͤttlichen Majeſtaͤt,
nicht aber das, was Stadt- Land- und Kay-
ſerrecht ſo nennt.

Wolte Gott! ſetzt ich hinzu, Ihr Werk wuͤr-
de dieſem Aergernis ſteuren und wehren! Man
kann nicht wiſſen, antwortete der Prediger.

Was wuͤrd aus uns werden ohne Regel?
Da wuͤrd all’ Augenblick einer ſeinen Zauber-
ſtock aufheben, und das Volk wuͤrd ihm die-
nen. Warum uͤberzeugen wir uns jetzt nicht
von Zaubereyen? Weil wir der Regel den

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[13/0019] gen Geiſt uns darauf gebracht hatte, im Ge- ſpraͤch von der heiligen Regel an, die man in Ehren halten muͤßte, wenn gleich ſonſt alles uͤber und uͤber gienge. Alles in der Natur ſucht ſich an etwas zu halten. Der Verſtand an der Regel, die er als Gottes Bild ehret, und wahrlich! ſie iſt Gottes Bild. Sie iſt nicht Buchſtab, ſie iſt Geiſt von Geiſt. Meine Mutter wuͤrde ſa- gen: Dieſe Regel ſtreichen, heißt: wider beſſer Wiſſen und Gewiſſen handeln und wandeln. Wehe dem Menſchen! durch welchen Aerger- nis wider dieſen heiligen Geiſt kommt, es waͤ- re beſſer, daß ein Muͤhlſtein an ſeinen Hals gehenkt, und er erſaͤufet wuͤrd im Meer, wo es am tiefſten iſt. Dies iſt das eigentliche Ver- brechen der beleidigten goͤttlichen Majeſtaͤt, nicht aber das, was Stadt- Land- und Kay- ſerrecht ſo nennt. Wolte Gott! ſetzt ich hinzu, Ihr Werk wuͤr- de dieſem Aergernis ſteuren und wehren! Man kann nicht wiſſen, antwortete der Prediger. Was wuͤrd aus uns werden ohne Regel? Da wuͤrd all’ Augenblick einer ſeinen Zauber- ſtock aufheben, und das Volk wuͤrd ihm die- nen. Warum uͤberzeugen wir uns jetzt nicht von Zaubereyen? Weil wir der Regel den Bo-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/19>, abgerufen am 23.11.2024.