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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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sen die Thiere bestehlen, unsre Unterthanen
mit Abgaben bedrücken, um Nothdürftigkei-
ten zu bestreiten, die schwer auf uns liegen.
Vernunft! Wozu braucht sie der Mensch?
Dem Thiere das Fell über die Ohren zu ziehen,
und sich zu bedecken, sich selbst und andern
das Leben abzugewinnen. Das Ziel der Ver-
nunft ist, wenn sie einsieht, daß sie uns nicht
glücklich mache, daß wir überall damit an-
stoßen, wie ein junger Mensch, der in die
große Welt eintritt. Je vernünftiger der
Mensch ist, je mehr zweifelt er. Die Kinder-
jahre sind die schönsten, weil wir mit der Ver-
nunft in ihren Schranken bleiben. Gott!
was ist der Mensch! --

Diese Welt ist ein Gefängnis, in das wir
vielleicht wegen voriger Verbrechen verbannt
sind. Ein Exilium, ein wahres Sibirien.
Der Tod hebt diese lebenswierige Festungs-
strafe auf, und läßt uns wieder auf freyen
Fuß. Freuden, wenn sie nah sind, erschö-
pfen sie nicht mehr, als der Schmerz? Bey
der Hektik kann man alt werden; ein dicker
vollblütiger Körper, wie schnell dahin! Krank-
heit und Schmerzen kommen unverdient, selbst
wenn wir ihnen recht mühsam auszuweichen
gesucht. Wer sein Leben lieb hat, verliert

es
M 4

ſen die Thiere beſtehlen, unſre Unterthanen
mit Abgaben bedruͤcken, um Nothduͤrftigkei-
ten zu beſtreiten, die ſchwer auf uns liegen.
Vernunft! Wozu braucht ſie der Menſch?
Dem Thiere das Fell uͤber die Ohren zu ziehen,
und ſich zu bedecken, ſich ſelbſt und andern
das Leben abzugewinnen. Das Ziel der Ver-
nunft iſt, wenn ſie einſieht, daß ſie uns nicht
gluͤcklich mache, daß wir uͤberall damit an-
ſtoßen, wie ein junger Menſch, der in die
große Welt eintritt. Je vernuͤnftiger der
Menſch iſt, je mehr zweifelt er. Die Kinder-
jahre ſind die ſchoͤnſten, weil wir mit der Ver-
nunft in ihren Schranken bleiben. Gott!
was iſt der Menſch! —

Dieſe Welt iſt ein Gefaͤngnis, in das wir
vielleicht wegen voriger Verbrechen verbannt
ſind. Ein Exilium, ein wahres Sibirien.
Der Tod hebt dieſe lebenswierige Feſtungs-
ſtrafe auf, und laͤßt uns wieder auf freyen
Fuß. Freuden, wenn ſie nah ſind, erſchoͤ-
pfen ſie nicht mehr, als der Schmerz? Bey
der Hektik kann man alt werden; ein dicker
vollbluͤtiger Koͤrper, wie ſchnell dahin! Krank-
heit und Schmerzen kommen unverdient, ſelbſt
wenn wir ihnen recht muͤhſam auszuweichen
geſucht. Wer ſein Leben lieb hat, verliert

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[183/0189] ſen die Thiere beſtehlen, unſre Unterthanen mit Abgaben bedruͤcken, um Nothduͤrftigkei- ten zu beſtreiten, die ſchwer auf uns liegen. Vernunft! Wozu braucht ſie der Menſch? Dem Thiere das Fell uͤber die Ohren zu ziehen, und ſich zu bedecken, ſich ſelbſt und andern das Leben abzugewinnen. Das Ziel der Ver- nunft iſt, wenn ſie einſieht, daß ſie uns nicht gluͤcklich mache, daß wir uͤberall damit an- ſtoßen, wie ein junger Menſch, der in die große Welt eintritt. Je vernuͤnftiger der Menſch iſt, je mehr zweifelt er. Die Kinder- jahre ſind die ſchoͤnſten, weil wir mit der Ver- nunft in ihren Schranken bleiben. Gott! was iſt der Menſch! — Dieſe Welt iſt ein Gefaͤngnis, in das wir vielleicht wegen voriger Verbrechen verbannt ſind. Ein Exilium, ein wahres Sibirien. Der Tod hebt dieſe lebenswierige Feſtungs- ſtrafe auf, und laͤßt uns wieder auf freyen Fuß. Freuden, wenn ſie nah ſind, erſchoͤ- pfen ſie nicht mehr, als der Schmerz? Bey der Hektik kann man alt werden; ein dicker vollbluͤtiger Koͤrper, wie ſchnell dahin! Krank- heit und Schmerzen kommen unverdient, ſelbſt wenn wir ihnen recht muͤhſam auszuweichen geſucht. Wer ſein Leben lieb hat, verliert es M 4

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/189>, abgerufen am 27.11.2024.