Ihrem lieben Vater ungeschlagen davon, was er hört und lies't? Seine Art ist, erwiedert' ich, ohne Bleyfederstrich, ohne Beziehung auf es sey gehörtes oder gelesenes Wort, ein Wort zu seiner Zeit nicht schriftlich, auch nicht einst mündlich, anzubringen, sondern mündlich zu verlieren. Zuweilen scheint es, fuhr ich fort, daß das, was er sagt, so paße, wie die Faust aufs Auge; indessen war mir oft ein solch verlohrnes Wort ein Wort des Lebens zum Leben. -- Dem Prediger gab das verlohrne Wort Gelegenheit, von der verlohrnen Schild- wache zu reden, und da lies ich ihn sobald nicht los. -- Er war ein kleiner Politikus, las die Zeitungen, wußte alle preußische Re- gimenter namentlich und ihre Uniform; das war aber auch alles! An mir fand er einen andern Mann, ich sprach vom großen und kleinen Dienst, und hielt den Ehrenmann fest. Was eine verlohrne Schildwache nicht machen kann! Hier fand mich der Prediger gewiegter, als bey seiner Abhandlung. Er wolte heim; ich war in meinem Element. Endlich jammerte mich sein, ich lösete die Schildwache ab. --
Anlangend den Druck, fing der Prediger, sobald er Luft hatte, an, und dankte dem
Him-
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Ihrem lieben Vater ungeſchlagen davon, was er hoͤrt und lieſ’t? Seine Art iſt, erwiedert’ ich, ohne Bleyfederſtrich, ohne Beziehung auf es ſey gehoͤrtes oder geleſenes Wort, ein Wort zu ſeiner Zeit nicht ſchriftlich, auch nicht einſt muͤndlich, anzubringen, ſondern muͤndlich zu verlieren. Zuweilen ſcheint es, fuhr ich fort, daß das, was er ſagt, ſo paße, wie die Fauſt aufs Auge; indeſſen war mir oft ein ſolch verlohrnes Wort ein Wort des Lebens zum Leben. — Dem Prediger gab das verlohrne Wort Gelegenheit, von der verlohrnen Schild- wache zu reden, und da lies ich ihn ſobald nicht los. — Er war ein kleiner Politikus, las die Zeitungen, wußte alle preußiſche Re- gimenter namentlich und ihre Uniform; das war aber auch alles! An mir fand er einen andern Mann, ich ſprach vom großen und kleinen Dienſt, und hielt den Ehrenmann feſt. Was eine verlohrne Schildwache nicht machen kann! Hier fand mich der Prediger gewiegter, als bey ſeiner Abhandlung. Er wolte heim; ich war in meinem Element. Endlich jammerte mich ſein, ich loͤſete die Schildwache ab. —
Anlangend den Druck, fing der Prediger, ſobald er Luft hatte, an, und dankte dem
Him-
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Ihrem lieben Vater ungeſchlagen davon, was
er hoͤrt und lieſ’t? Seine Art iſt, erwiedert’
ich, ohne Bleyfederſtrich, ohne Beziehung auf
es ſey gehoͤrtes oder geleſenes Wort, ein Wort
zu ſeiner Zeit nicht ſchriftlich, auch nicht einſt
muͤndlich, anzubringen, ſondern muͤndlich zu
verlieren. Zuweilen ſcheint es, fuhr ich fort,
daß das, was er ſagt, ſo paße, wie die Fauſt
aufs Auge; indeſſen war mir oft ein ſolch
verlohrnes Wort ein Wort des Lebens zum
Leben. — Dem Prediger gab das verlohrne
Wort Gelegenheit, von der verlohrnen Schild-
wache zu reden, und da lies ich ihn ſobald
nicht los. — Er war ein kleiner Politikus,
las die Zeitungen, wußte alle preußiſche Re-
gimenter namentlich und ihre Uniform; das
war aber auch alles! An mir fand er einen
andern Mann, ich ſprach vom großen und
kleinen Dienſt, und hielt den Ehrenmann
feſt. Was eine verlohrne Schildwache nicht
machen kann! Hier fand mich der Prediger
gewiegter, als bey ſeiner Abhandlung. Er
wolte heim; ich war in meinem Element.
Endlich jammerte mich ſein, ich loͤſete die
Schildwache ab. —
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/17>, abgerufen am 23.11.2024.
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