Selten, pflegt er zu sagen, ist das bestän- dig, was durch ihre Vermittelung an Tages- licht kommt. Schwarze Wäsch' und Tafel- gedecke verzeichnete meine liebe Mutter mit der Bleyfeder, wie es sich eignet und gebüh- ret. Wenn schwarze Wäsche (meine Mutter nannte es schwarzes Zeug) und Tafelgedecke wieder durch Waßer und Luft gereiniget wa- ren, weg waren auch die Bleyfederworte. Das mit Bleyfeder beschriebene Papier reibt sich an allem, was ihm nahe kommt, sagte meine Mut- ter, und sehnt sich recht geflißentlich, von einer solchen Unzierde befreyt zu werden, wie ein stol- zes Pferd, von einem schwachen Reiter. Nennt es Bleystift, und nicht Feder -- Feder ist zu scha- de, fuhr sie fort. -- Da also mein Vater, sagt ich, keine Bleyfeder hat, und schwerlich eine von meiner Mutter leihen wird: so bin ich fest über- zeugt, daß er Ihre Schrift von der Sünde wider den heiligen Geist ohne Bleyfeder lesen werde. Vortreflich, sagte der gute Schrift- steller, wollte Gott! es wären keine Bleyfe- dern in der Welt, und unsere Kritikaster be- dächten: wer die Bleyfeder nimmt, wird durch die Bleyfeder umkommen, richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet. Kommt denn, fragte der Prediger, kommt denn alles bey
Ihrem
Selten, pflegt er zu ſagen, iſt das beſtaͤn- dig, was durch ihre Vermittelung an Tages- licht kommt. Schwarze Waͤſch’ und Tafel- gedecke verzeichnete meine liebe Mutter mit der Bleyfeder, wie es ſich eignet und gebuͤh- ret. Wenn ſchwarze Waͤſche (meine Mutter nannte es ſchwarzes Zeug) und Tafelgedecke wieder durch Waßer und Luft gereiniget wa- ren, weg waren auch die Bleyfederworte. Das mit Bleyfeder beſchriebene Papier reibt ſich an allem, was ihm nahe kommt, ſagte meine Mut- ter, und ſehnt ſich recht geflißentlich, von einer ſolchen Unzierde befreyt zu werden, wie ein ſtol- zes Pferd, von einem ſchwachen Reiter. Nennt es Bleyſtift, und nicht Feder — Feder iſt zu ſcha- de, fuhr ſie fort. — Da alſo mein Vater, ſagt ich, keine Bleyfeder hat, und ſchwerlich eine von meiner Mutter leihen wird: ſo bin ich feſt uͤber- zeugt, daß er Ihre Schrift von der Suͤnde wider den heiligen Geiſt ohne Bleyfeder leſen werde. Vortreflich, ſagte der gute Schrift- ſteller, wollte Gott! es waͤren keine Bleyfe- dern in der Welt, und unſere Kritikaſter be- daͤchten: wer die Bleyfeder nimmt, wird durch die Bleyfeder umkommen, richtet nicht, ſo werdet ihr nicht gerichtet. Kommt denn, fragte der Prediger, kommt denn alles bey
Ihrem
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Selten, pflegt er zu ſagen, iſt das beſtaͤn-
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licht kommt. Schwarze Waͤſch’ und Tafel-
gedecke verzeichnete meine liebe Mutter mit
der Bleyfeder, wie es ſich eignet und gebuͤh-
ret. Wenn ſchwarze Waͤſche (meine Mutter
nannte es ſchwarzes Zeug) und Tafelgedecke
wieder durch Waßer und Luft gereiniget wa-
ren, weg waren auch die Bleyfederworte. Das
mit Bleyfeder beſchriebene Papier reibt ſich an
allem, was ihm nahe kommt, ſagte meine Mut-
ter, und ſehnt ſich recht geflißentlich, von einer
ſolchen Unzierde befreyt zu werden, wie ein ſtol-
zes Pferd, von einem ſchwachen Reiter. Nennt
es Bleyſtift, und nicht Feder — Feder iſt zu ſcha-
de, fuhr ſie fort. — Da alſo mein Vater, ſagt
ich, keine Bleyfeder hat, und ſchwerlich eine von
meiner Mutter leihen wird: ſo bin ich feſt uͤber-
zeugt, daß er Ihre Schrift von der Suͤnde
wider den heiligen Geiſt ohne Bleyfeder leſen
werde. Vortreflich, ſagte der gute Schrift-
ſteller, wollte Gott! es waͤren keine Bleyfe-
dern in der Welt, und unſere Kritikaſter be-
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durch die Bleyfeder umkommen, richtet nicht,
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/16>, abgerufen am 23.11.2024.
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