Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Selten, pflegt er zu sagen, ist das bestän-
dig, was durch ihre Vermittelung an Tages-
licht kommt. Schwarze Wäsch' und Tafel-
gedecke verzeichnete meine liebe Mutter mit
der Bleyfeder, wie es sich eignet und gebüh-
ret. Wenn schwarze Wäsche (meine Mutter
nannte es schwarzes Zeug) und Tafelgedecke
wieder durch Waßer und Luft gereiniget wa-
ren, weg waren auch die Bleyfederworte. Das
mit Bleyfeder beschriebene Papier reibt sich an
allem, was ihm nahe kommt, sagte meine Mut-
ter, und sehnt sich recht geflißentlich, von einer
solchen Unzierde befreyt zu werden, wie ein stol-
zes Pferd, von einem schwachen Reiter. Nennt
es Bleystift, und nicht Feder -- Feder ist zu scha-
de, fuhr sie fort. -- Da also mein Vater, sagt
ich, keine Bleyfeder hat, und schwerlich eine von
meiner Mutter leihen wird: so bin ich fest über-
zeugt, daß er Ihre Schrift von der Sünde
wider den heiligen Geist ohne Bleyfeder lesen
werde. Vortreflich, sagte der gute Schrift-
steller, wollte Gott! es wären keine Bleyfe-
dern in der Welt, und unsere Kritikaster be-
dächten: wer die Bleyfeder nimmt, wird
durch die Bleyfeder umkommen, richtet nicht,
so werdet ihr nicht gerichtet. Kommt denn,
fragte der Prediger, kommt denn alles bey

Ihrem

Selten, pflegt er zu ſagen, iſt das beſtaͤn-
dig, was durch ihre Vermittelung an Tages-
licht kommt. Schwarze Waͤſch’ und Tafel-
gedecke verzeichnete meine liebe Mutter mit
der Bleyfeder, wie es ſich eignet und gebuͤh-
ret. Wenn ſchwarze Waͤſche (meine Mutter
nannte es ſchwarzes Zeug) und Tafelgedecke
wieder durch Waßer und Luft gereiniget wa-
ren, weg waren auch die Bleyfederworte. Das
mit Bleyfeder beſchriebene Papier reibt ſich an
allem, was ihm nahe kommt, ſagte meine Mut-
ter, und ſehnt ſich recht geflißentlich, von einer
ſolchen Unzierde befreyt zu werden, wie ein ſtol-
zes Pferd, von einem ſchwachen Reiter. Nennt
es Bleyſtift, und nicht Feder — Feder iſt zu ſcha-
de, fuhr ſie fort. — Da alſo mein Vater, ſagt
ich, keine Bleyfeder hat, und ſchwerlich eine von
meiner Mutter leihen wird: ſo bin ich feſt uͤber-
zeugt, daß er Ihre Schrift von der Suͤnde
wider den heiligen Geiſt ohne Bleyfeder leſen
werde. Vortreflich, ſagte der gute Schrift-
ſteller, wollte Gott! es waͤren keine Bleyfe-
dern in der Welt, und unſere Kritikaſter be-
daͤchten: wer die Bleyfeder nimmt, wird
durch die Bleyfeder umkommen, richtet nicht,
ſo werdet ihr nicht gerichtet. Kommt denn,
fragte der Prediger, kommt denn alles bey

Ihrem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0016" n="10"/>
        <p>Selten, pflegt er zu &#x017F;agen, i&#x017F;t das be&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
dig, was durch ihre Vermittelung an Tages-<lb/>
licht kommt. Schwarze Wa&#x0364;&#x017F;ch&#x2019; und Tafel-<lb/>
gedecke verzeichnete meine liebe Mutter mit<lb/>
der Bleyfeder, wie es &#x017F;ich eignet und gebu&#x0364;h-<lb/>
ret. Wenn &#x017F;chwarze Wa&#x0364;&#x017F;che (meine Mutter<lb/>
nannte es &#x017F;chwarzes Zeug) und Tafelgedecke<lb/>
wieder durch Waßer und Luft gereiniget wa-<lb/>
ren, weg waren auch die Bleyfederworte. Das<lb/>
mit Bleyfeder be&#x017F;chriebene Papier reibt &#x017F;ich an<lb/>
allem, was ihm nahe kommt, &#x017F;agte meine Mut-<lb/>
ter, und &#x017F;ehnt &#x017F;ich recht geflißentlich, von einer<lb/>
&#x017F;olchen Unzierde befreyt zu werden, wie ein &#x017F;tol-<lb/>
zes Pferd, von einem &#x017F;chwachen Reiter. Nennt<lb/>
es Bley&#x017F;tift, und nicht Feder &#x2014; Feder i&#x017F;t zu &#x017F;cha-<lb/>
de, fuhr &#x017F;ie fort. &#x2014; Da al&#x017F;o mein Vater, &#x017F;agt<lb/>
ich, keine Bleyfeder hat, und &#x017F;chwerlich eine von<lb/>
meiner Mutter leihen wird: &#x017F;o bin ich fe&#x017F;t u&#x0364;ber-<lb/>
zeugt, daß er Ihre Schrift von der Su&#x0364;nde<lb/>
wider den heiligen Gei&#x017F;t ohne Bleyfeder le&#x017F;en<lb/>
werde. Vortreflich, &#x017F;agte der gute Schrift-<lb/>
&#x017F;teller, wollte Gott! es wa&#x0364;ren keine Bleyfe-<lb/>
dern in der Welt, und un&#x017F;ere Kritika&#x017F;ter be-<lb/>
da&#x0364;chten: wer die Bleyfeder nimmt, wird<lb/>
durch die Bleyfeder umkommen, richtet nicht,<lb/>
&#x017F;o werdet ihr nicht gerichtet. Kommt denn,<lb/>
fragte der Prediger, kommt denn alles bey<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ihrem</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0016] Selten, pflegt er zu ſagen, iſt das beſtaͤn- dig, was durch ihre Vermittelung an Tages- licht kommt. Schwarze Waͤſch’ und Tafel- gedecke verzeichnete meine liebe Mutter mit der Bleyfeder, wie es ſich eignet und gebuͤh- ret. Wenn ſchwarze Waͤſche (meine Mutter nannte es ſchwarzes Zeug) und Tafelgedecke wieder durch Waßer und Luft gereiniget wa- ren, weg waren auch die Bleyfederworte. Das mit Bleyfeder beſchriebene Papier reibt ſich an allem, was ihm nahe kommt, ſagte meine Mut- ter, und ſehnt ſich recht geflißentlich, von einer ſolchen Unzierde befreyt zu werden, wie ein ſtol- zes Pferd, von einem ſchwachen Reiter. Nennt es Bleyſtift, und nicht Feder — Feder iſt zu ſcha- de, fuhr ſie fort. — Da alſo mein Vater, ſagt ich, keine Bleyfeder hat, und ſchwerlich eine von meiner Mutter leihen wird: ſo bin ich feſt uͤber- zeugt, daß er Ihre Schrift von der Suͤnde wider den heiligen Geiſt ohne Bleyfeder leſen werde. Vortreflich, ſagte der gute Schrift- ſteller, wollte Gott! es waͤren keine Bleyfe- dern in der Welt, und unſere Kritikaſter be- daͤchten: wer die Bleyfeder nimmt, wird durch die Bleyfeder umkommen, richtet nicht, ſo werdet ihr nicht gerichtet. Kommt denn, fragte der Prediger, kommt denn alles bey Ihrem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/16
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/16>, abgerufen am 23.11.2024.