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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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war noch viel zu sagen, und doch war es aus
dem Herzen. Wenn er aber empfängt, wenn
er concipirt, o! dann beißt der Rauch in die
Augen! -- Wilst du denn was beßres sagen,
als du kannst? Das war eine weise Lehre ei-
nes weisen Mannes, die er einem Jünglinge
gab, der sich über dem Eingang seiner Rede
den Kopf brach. Ein Redner, sagte mein
Vater,
ist ein Mann, der mehr von einer
Sache sagen will, als er von ihr weiß. Ein
Avantürier, der sich über seinen Stand klei-
det, ein Petitmaitre, der zum verschimmelten
Brod frische Butter giebt. -- Er machte ei-
nen Unterschied zwischen Redner und Predi-
ger. Mit Feyerlichkeit von einer Sache spre-
chen, nannt' er predigen, und in diesem Sinn
war er Prediger überall. Aber die Redner!
Sie machen einen großen Schuh auf einen
kleinen Fuß. Schuster nicht übern Leisten,
sagte der Mahler zum Recensenten, der sich
wie gewöhnlich mehr herausnahm und her-
auslies, als er verstand. Dem Redner könnte
man zurufen: Redner, nicht übern Fuß! --
-- Durch Reden sind mehr Länder er-
obert, Festungen eingenommen, als
durch Waffen;
allein wie gewonnen, so zer-
ronnen, würde meine Mutter sagen.

Der

war noch viel zu ſagen, und doch war es aus
dem Herzen. Wenn er aber empfaͤngt, wenn
er concipirt, o! dann beißt der Rauch in die
Augen! — Wilſt du denn was beßres ſagen,
als du kannſt? Das war eine weiſe Lehre ei-
nes weiſen Mannes, die er einem Juͤnglinge
gab, der ſich uͤber dem Eingang ſeiner Rede
den Kopf brach. Ein Redner, ſagte mein
Vater,
iſt ein Mann, der mehr von einer
Sache ſagen will, als er von ihr weiß. Ein
Avantuͤrier, der ſich uͤber ſeinen Stand klei-
det, ein Petitmaitre, der zum verſchimmelten
Brod friſche Butter giebt. — Er machte ei-
nen Unterſchied zwiſchen Redner und Predi-
ger. Mit Feyerlichkeit von einer Sache ſpre-
chen, nannt’ er predigen, und in dieſem Sinn
war er Prediger uͤberall. Aber die Redner!
Sie machen einen großen Schuh auf einen
kleinen Fuß. Schuſter nicht uͤbern Leiſten,
ſagte der Mahler zum Recenſenten, der ſich
wie gewoͤhnlich mehr herausnahm und her-
auslies, als er verſtand. Dem Redner koͤnnte
man zurufen: Redner, nicht uͤbern Fuß! —
Durch Reden ſind mehr Laͤnder er-
obert, Feſtungen eingenommen, als
durch Waffen;
allein wie gewonnen, ſo zer-
ronnen, wuͤrde meine Mutter ſagen.

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[160/0166] war noch viel zu ſagen, und doch war es aus dem Herzen. Wenn er aber empfaͤngt, wenn er concipirt, o! dann beißt der Rauch in die Augen! — Wilſt du denn was beßres ſagen, als du kannſt? Das war eine weiſe Lehre ei- nes weiſen Mannes, die er einem Juͤnglinge gab, der ſich uͤber dem Eingang ſeiner Rede den Kopf brach. Ein Redner, ſagte mein Vater, iſt ein Mann, der mehr von einer Sache ſagen will, als er von ihr weiß. Ein Avantuͤrier, der ſich uͤber ſeinen Stand klei- det, ein Petitmaitre, der zum verſchimmelten Brod friſche Butter giebt. — Er machte ei- nen Unterſchied zwiſchen Redner und Predi- ger. Mit Feyerlichkeit von einer Sache ſpre- chen, nannt’ er predigen, und in dieſem Sinn war er Prediger uͤberall. Aber die Redner! Sie machen einen großen Schuh auf einen kleinen Fuß. Schuſter nicht uͤbern Leiſten, ſagte der Mahler zum Recenſenten, der ſich wie gewoͤhnlich mehr herausnahm und her- auslies, als er verſtand. Dem Redner koͤnnte man zurufen: Redner, nicht uͤbern Fuß! — — Durch Reden ſind mehr Laͤnder er- obert, Feſtungen eingenommen, als durch Waffen; allein wie gewonnen, ſo zer- ronnen, wuͤrde meine Mutter ſagen. Der

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/166>, abgerufen am 23.11.2024.