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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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scheint zu werden. Sprich, damit ich dich
sehe. In der Sprache liegt die Gewalt, wel-
che der Mensch über alles hat, was lebt,
schwebt und ist, der Bind- und Löseschlüßel.
Mein Vater pflegte zu sagen, noch sind jene
Töne nicht cultivirt, wodurch wir vielleicht
mit allem auf der Erde so umspringen wür-
den, als der Hauptmann von Capernaum mit
seinen Knechten: Komm, geh, thue das!
Vielleicht waren diese Töne schon und giengen
verlohren, wie viel verlohren gieng. --

Mein Redner, fieng der Graf an. --

Redner, erwiedert' ich? Nicht anders,
sagte der Graf. Beleben die? Sich im Leben
angreifen, sich überleben, zu viel leben, ist
Tod, überall Tod, fuhr ich fort. Es giebt
Redner, die nicht blos schlechthin beleben,
sondern beseelen, begeistern; allein das sind
nicht ausgelernte Papagayen und Raben, die
auch zuweilen zu rechter Zeit oleum & operam
perdidi
krächzen, sondern Leute mit feurigen
Zungen, nach dem ihnen ihr Geist gab auszu-
sprechen. Aus dem Herzen aufs Papier.
Schwarz auf weiß, vom Papier ins Gedächt-
nis, aus dem Gedächtnis in Hand, Mund
und Fuß. -- O der ermattenden Umwege!

Und

ſcheint zu werden. Sprich, damit ich dich
ſehe. In der Sprache liegt die Gewalt, wel-
che der Menſch uͤber alles hat, was lebt,
ſchwebt und iſt, der Bind- und Loͤſeſchluͤßel.
Mein Vater pflegte zu ſagen, noch ſind jene
Toͤne nicht cultivirt, wodurch wir vielleicht
mit allem auf der Erde ſo umſpringen wuͤr-
den, als der Hauptmann von Capernaum mit
ſeinen Knechten: Komm, geh, thue das!
Vielleicht waren dieſe Toͤne ſchon und giengen
verlohren, wie viel verlohren gieng. —

Mein Redner, fieng der Graf an. —

Redner, erwiedert’ ich? Nicht anders,
ſagte der Graf. Beleben die? Sich im Leben
angreifen, ſich uͤberleben, zu viel leben, iſt
Tod, uͤberall Tod, fuhr ich fort. Es giebt
Redner, die nicht blos ſchlechthin beleben,
ſondern beſeelen, begeiſtern; allein das ſind
nicht ausgelernte Papagayen und Raben, die
auch zuweilen zu rechter Zeit oleum & operam
perdidi
kraͤchzen, ſondern Leute mit feurigen
Zungen, nach dem ihnen ihr Geiſt gab auszu-
ſprechen. Aus dem Herzen aufs Papier.
Schwarz auf weiß, vom Papier ins Gedaͤcht-
nis, aus dem Gedaͤchtnis in Hand, Mund
und Fuß. — O der ermattenden Umwege!

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[158/0164] ſcheint zu werden. Sprich, damit ich dich ſehe. In der Sprache liegt die Gewalt, wel- che der Menſch uͤber alles hat, was lebt, ſchwebt und iſt, der Bind- und Loͤſeſchluͤßel. Mein Vater pflegte zu ſagen, noch ſind jene Toͤne nicht cultivirt, wodurch wir vielleicht mit allem auf der Erde ſo umſpringen wuͤr- den, als der Hauptmann von Capernaum mit ſeinen Knechten: Komm, geh, thue das! Vielleicht waren dieſe Toͤne ſchon und giengen verlohren, wie viel verlohren gieng. — Mein Redner, fieng der Graf an. — Redner, erwiedert’ ich? Nicht anders, ſagte der Graf. Beleben die? Sich im Leben angreifen, ſich uͤberleben, zu viel leben, iſt Tod, uͤberall Tod, fuhr ich fort. Es giebt Redner, die nicht blos ſchlechthin beleben, ſondern beſeelen, begeiſtern; allein das ſind nicht ausgelernte Papagayen und Raben, die auch zuweilen zu rechter Zeit oleum & operam perdidi kraͤchzen, ſondern Leute mit feurigen Zungen, nach dem ihnen ihr Geiſt gab auszu- ſprechen. Aus dem Herzen aufs Papier. Schwarz auf weiß, vom Papier ins Gedaͤcht- nis, aus dem Gedaͤchtnis in Hand, Mund und Fuß. — O der ermattenden Umwege! Und

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/164>, abgerufen am 23.11.2024.