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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781.

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de quästionis, allein doch eine würkliche Sün-
de begehen, wenn ich meinen Lesern von diesem
gewiß bewanderten Werke eine weitläuftige
Erzählung auslieferte. So viel ist gewis,
daß ich den guten Prediger mit seiner Aus-
arbeitung ziemlich zweifelhaft machte, indem
ich ihm, in beliebter Kürze und Einfalt, mei-
nes Vaters Meynung über diesen heiligen Ge-
genstand eröfnete, der die Sünde wider den
heiligen Geist eine Bemühung nannte, das ins
Herz geschriebene natürliche Gesetz, die Regel,
das göttliche Alphabet, auszulöschen. Das
Kind mit dem Bade ausgießen, sagte der Pre-
diger, und legte die drey Finger seiner rechten
Hand an seine Stirn und sodann ans Herz,
als ob er an beyden Orten anklopfen wollte.
Endlich ward ihm aufgethan. Ich würde,
fing er an, meine citationseisenschwer beschla-
gene Abhandlung gern Ihrem Herrn Vater
auf eine freundschaftliche Bleyfeder übersen-
den; allein ich fürchte, daß nach diesen Grund-
sätzen wenig von diesem gelehrten Stück zurück
kommen möchte. Ich versicherte den guten
Prediger, ohne, wie ich bemerkt, ihm ein Com-
pliment zu machen, daß mein Vater keine
Bleyfeder hätte.

Sel-
A 4

de quaͤſtionis, allein doch eine wuͤrkliche Suͤn-
de begehen, wenn ich meinen Leſern von dieſem
gewiß bewanderten Werke eine weitlaͤuftige
Erzaͤhlung auslieferte. So viel iſt gewis,
daß ich den guten Prediger mit ſeiner Aus-
arbeitung ziemlich zweifelhaft machte, indem
ich ihm, in beliebter Kuͤrze und Einfalt, mei-
nes Vaters Meynung uͤber dieſen heiligen Ge-
genſtand eroͤfnete, der die Suͤnde wider den
heiligen Geiſt eine Bemuͤhung nannte, das ins
Herz geſchriebene natuͤrliche Geſetz, die Regel,
das goͤttliche Alphabet, auszuloͤſchen. Das
Kind mit dem Bade ausgießen, ſagte der Pre-
diger, und legte die drey Finger ſeiner rechten
Hand an ſeine Stirn und ſodann ans Herz,
als ob er an beyden Orten anklopfen wollte.
Endlich ward ihm aufgethan. Ich wuͤrde,
fing er an, meine citationseiſenſchwer beſchla-
gene Abhandlung gern Ihrem Herrn Vater
auf eine freundſchaftliche Bleyfeder uͤberſen-
den; allein ich fuͤrchte, daß nach dieſen Grund-
ſaͤtzen wenig von dieſem gelehrten Stuͤck zuruͤck
kommen moͤchte. Ich verſicherte den guten
Prediger, ohne, wie ich bemerkt, ihm ein Com-
pliment zu machen, daß mein Vater keine
Bleyfeder haͤtte.

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[9/0015] de quaͤſtionis, allein doch eine wuͤrkliche Suͤn- de begehen, wenn ich meinen Leſern von dieſem gewiß bewanderten Werke eine weitlaͤuftige Erzaͤhlung auslieferte. So viel iſt gewis, daß ich den guten Prediger mit ſeiner Aus- arbeitung ziemlich zweifelhaft machte, indem ich ihm, in beliebter Kuͤrze und Einfalt, mei- nes Vaters Meynung uͤber dieſen heiligen Ge- genſtand eroͤfnete, der die Suͤnde wider den heiligen Geiſt eine Bemuͤhung nannte, das ins Herz geſchriebene natuͤrliche Geſetz, die Regel, das goͤttliche Alphabet, auszuloͤſchen. Das Kind mit dem Bade ausgießen, ſagte der Pre- diger, und legte die drey Finger ſeiner rechten Hand an ſeine Stirn und ſodann ans Herz, als ob er an beyden Orten anklopfen wollte. Endlich ward ihm aufgethan. Ich wuͤrde, fing er an, meine citationseiſenſchwer beſchla- gene Abhandlung gern Ihrem Herrn Vater auf eine freundſchaftliche Bleyfeder uͤberſen- den; allein ich fuͤrchte, daß nach dieſen Grund- ſaͤtzen wenig von dieſem gelehrten Stuͤck zuruͤck kommen moͤchte. Ich verſicherte den guten Prediger, ohne, wie ich bemerkt, ihm ein Com- pliment zu machen, daß mein Vater keine Bleyfeder haͤtte. Sel- A 4

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,1. Berlin, 1781, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0301_1781/15>, abgerufen am 29.03.2024.