Wenn Er doch fände. Aus Peters Hand nichts, rein nichts, auch nicht einen Kranz, der mir gehört, und den ich mir zusammen geflückt. Nichts, nichts, wenn er auch gleich beym Junker gilt und viel gilt!
Da bin ich überm Wasser und Mutter- chen ist jenseits. Es ging schwer ab, wie wir Abschied nahmen, und nun ists mir noch schwe- rer, da du jenseit des Wassers bist, am schwer- sten wirds seyn, wenn ich dich nicht mehr se- hen kann, o du liebe liebe Mutter! -- Noch -- noch -- noch -- steh doch -- steh doch nur noch einen Augenblick. Weg ist sie und ich? -- O gutes Mutterchen, ich in der weiten lang und breiten Welt, erst bey dir, nun in der wei- ten pfadlosen Welt. -- Es muß geschieden seyn. -- -- Nun hör' ich dich nicht mehr be- ten, nun seh ich dich nicht mehr weinen! Nun rufst du nicht mehr: Lieschen, wenn der Tisch raucht, Lieschen, wenn du reife Beeren fin- dest, Lieschen, wenn du eine Quelle am schwuhlen Mittag' entdeckest, die von der Son- ne nicht gefunden war! Ich armes Lieschen! Dies Wellchen kommt von mir, liebes Mut- terchen, und bringt ein Thränchen mit von mir -- von mir. Sieh' es an, es walt zu dir,
sey
Wenn Er doch faͤnde. Aus Peters Hand nichts, rein nichts, auch nicht einen Kranz, der mir gehoͤrt, und den ich mir zuſammen gefluͤckt. Nichts, nichts, wenn er auch gleich beym Junker gilt und viel gilt!
Da bin ich uͤberm Waſſer und Mutter- chen iſt jenſeits. Es ging ſchwer ab, wie wir Abſchied nahmen, und nun iſts mir noch ſchwe- rer, da du jenſeit des Waſſers biſt, am ſchwer- ſten wirds ſeyn, wenn ich dich nicht mehr ſe- hen kann, o du liebe liebe Mutter! — Noch — noch — noch — ſteh doch — ſteh doch nur noch einen Augenblick. Weg iſt ſie und ich? — O gutes Mutterchen, ich in der weiten lang und breiten Welt, erſt bey dir, nun in der wei- ten pfadloſen Welt. — Es muß geſchieden ſeyn. — — Nun hoͤr’ ich dich nicht mehr be- ten, nun ſeh ich dich nicht mehr weinen! Nun rufſt du nicht mehr: Lieschen, wenn der Tiſch raucht, Lieschen, wenn du reife Beeren fin- deſt, Lieschen, wenn du eine Quelle am ſchwuhlen Mittag’ entdeckeſt, die von der Son- ne nicht gefunden war! Ich armes Lieschen! Dies Wellchen kommt von mir, liebes Mut- terchen, und bringt ein Thraͤnchen mit von mir — von mir. Sieh’ es an, es walt zu dir,
ſey
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0585"n="573"/>
Wenn <hirendition="#fr">Er</hi> doch faͤnde. Aus <hirendition="#fr">Peters</hi> Hand<lb/>
nichts, rein nichts, auch nicht einen Kranz,<lb/>
der mir gehoͤrt, und den ich mir zuſammen<lb/>
gefluͤckt. Nichts, nichts, wenn er auch gleich<lb/>
beym Junker gilt und viel gilt!</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Da bin ich uͤberm Waſſer und Mutter-<lb/>
chen iſt jenſeits. Es ging ſchwer ab, wie wir<lb/>
Abſchied nahmen, und nun iſts mir noch ſchwe-<lb/>
rer, da du jenſeit des Waſſers biſt, am ſchwer-<lb/>ſten wirds ſeyn, wenn ich dich nicht mehr ſe-<lb/>
hen kann, o du liebe liebe Mutter! — Noch<lb/>— noch — noch —ſteh doch —ſteh doch nur<lb/>
noch einen Augenblick. Weg iſt ſie und ich? —<lb/>
O gutes Mutterchen, ich in der weiten lang<lb/>
und breiten Welt, erſt bey dir, nun in der wei-<lb/>
ten pfadloſen Welt. — Es muß geſchieden<lb/>ſeyn. —— Nun hoͤr’ ich dich nicht mehr be-<lb/>
ten, nun ſeh ich dich nicht mehr weinen! Nun<lb/>
rufſt du nicht mehr: <hirendition="#fr">Lieschen</hi>, wenn der Tiſch<lb/>
raucht, <hirendition="#fr">Lieschen</hi>, wenn du reife Beeren fin-<lb/>
deſt, <hirendition="#fr">Lieschen</hi>, wenn du eine Quelle am<lb/>ſchwuhlen Mittag’ entdeckeſt, die von der Son-<lb/>
ne nicht gefunden war! Ich armes Lieschen!<lb/>
Dies Wellchen kommt von mir, liebes Mut-<lb/>
terchen, und bringt ein Thraͤnchen mit von mir<lb/>— von mir. Sieh’ es an, es walt zu dir,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſey</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[573/0585]
Wenn Er doch faͤnde. Aus Peters Hand
nichts, rein nichts, auch nicht einen Kranz,
der mir gehoͤrt, und den ich mir zuſammen
gefluͤckt. Nichts, nichts, wenn er auch gleich
beym Junker gilt und viel gilt!
Da bin ich uͤberm Waſſer und Mutter-
chen iſt jenſeits. Es ging ſchwer ab, wie wir
Abſchied nahmen, und nun iſts mir noch ſchwe-
rer, da du jenſeit des Waſſers biſt, am ſchwer-
ſten wirds ſeyn, wenn ich dich nicht mehr ſe-
hen kann, o du liebe liebe Mutter! — Noch
— noch — noch — ſteh doch — ſteh doch nur
noch einen Augenblick. Weg iſt ſie und ich? —
O gutes Mutterchen, ich in der weiten lang
und breiten Welt, erſt bey dir, nun in der wei-
ten pfadloſen Welt. — Es muß geſchieden
ſeyn. — — Nun hoͤr’ ich dich nicht mehr be-
ten, nun ſeh ich dich nicht mehr weinen! Nun
rufſt du nicht mehr: Lieschen, wenn der Tiſch
raucht, Lieschen, wenn du reife Beeren fin-
deſt, Lieschen, wenn du eine Quelle am
ſchwuhlen Mittag’ entdeckeſt, die von der Son-
ne nicht gefunden war! Ich armes Lieschen!
Dies Wellchen kommt von mir, liebes Mut-
terchen, und bringt ein Thraͤnchen mit von mir
— von mir. Sieh’ es an, es walt zu dir,
ſey
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/585>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.