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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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freute mich, da er starb, und lobte Gott;
denn er starb zu seinem Glück. Ohne sie
hätt er nur gethan, als lebt' er. Er konnte
nichts mehr anfassen. Seine Hände zitterten,
und über seine Füße fiel er, drum tröstete ich
mich darob, und sagte wie der Pastor: Der
Herr hats gegeben, der Herr hats genom-
men, der Name des Herrn sey gelobet
!
Sie schlafen zusammen in einem Grabe, und
es kostet mir was, es dahin zu bringen, daß
sie in sein Sarg geleget ward. Es war ein
Bett auf zwey Personen. Die Leute, die sie
handhabten, sagten all, sie hätte gelächelt, und
ihre Hand wär' um ihn herumgefallen, als
wenn sie gelebt hätte. -- Schlaft gesund, liebe
Kinderchens, und liebt euch im Himmel! --

Ach, daß sich Gott erbarm,
nun bin, nun bin ich bettelarm!

das Töchterlein meiner Kinder, das sie mir
ließen, mein Lottchen ist todt, ist todt, lieber
Gott, ist todt, o ich Bettler! Lottchen ist todt,
und ich bin es bey lebendigem Leibe. Das ist
mehr als todt. Alles todt -- alles todt -- nur
ich nicht todt. Sie ist bey ihrer Mutter, sie ist
bei ihrem Vater, sie ist bey meinem Weibe;
allein die hatten an einander genug. Was
hab denn ich? was? Seit Lottchen todt ist,

oder

freute mich, da er ſtarb, und lobte Gott;
denn er ſtarb zu ſeinem Gluͤck. Ohne ſie
haͤtt er nur gethan, als lebt’ er. Er konnte
nichts mehr anfaſſen. Seine Haͤnde zitterten,
und uͤber ſeine Fuͤße fiel er, drum troͤſtete ich
mich darob, und ſagte wie der Paſtor: Der
Herr hats gegeben, der Herr hats genom-
men, der Name des Herrn ſey gelobet
!
Sie ſchlafen zuſammen in einem Grabe, und
es koſtet mir was, es dahin zu bringen, daß
ſie in ſein Sarg geleget ward. Es war ein
Bett auf zwey Perſonen. Die Leute, die ſie
handhabten, ſagten all, ſie haͤtte gelaͤchelt, und
ihre Hand waͤr’ um ihn herumgefallen, als
wenn ſie gelebt haͤtte. — Schlaft geſund, liebe
Kinderchens, und liebt euch im Himmel! —

Ach, daß ſich Gott erbarm,
nun bin, nun bin ich bettelarm!

das Toͤchterlein meiner Kinder, das ſie mir
ließen, mein Lottchen iſt todt, iſt todt, lieber
Gott, iſt todt, o ich Bettler! Lottchen iſt todt,
und ich bin es bey lebendigem Leibe. Das iſt
mehr als todt. Alles todt — alles todt — nur
ich nicht todt. Sie iſt bey ihrer Mutter, ſie iſt
bei ihrem Vater, ſie iſt bey meinem Weibe;
allein die hatten an einander genug. Was
hab denn ich? was? Seit Lottchen todt iſt,

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[566/0578] freute mich, da er ſtarb, und lobte Gott; denn er ſtarb zu ſeinem Gluͤck. Ohne ſie haͤtt er nur gethan, als lebt’ er. Er konnte nichts mehr anfaſſen. Seine Haͤnde zitterten, und uͤber ſeine Fuͤße fiel er, drum troͤſtete ich mich darob, und ſagte wie der Paſtor: Der Herr hats gegeben, der Herr hats genom- men, der Name des Herrn ſey gelobet! Sie ſchlafen zuſammen in einem Grabe, und es koſtet mir was, es dahin zu bringen, daß ſie in ſein Sarg geleget ward. Es war ein Bett auf zwey Perſonen. Die Leute, die ſie handhabten, ſagten all, ſie haͤtte gelaͤchelt, und ihre Hand waͤr’ um ihn herumgefallen, als wenn ſie gelebt haͤtte. — Schlaft geſund, liebe Kinderchens, und liebt euch im Himmel! — Ach, daß ſich Gott erbarm, nun bin, nun bin ich bettelarm! das Toͤchterlein meiner Kinder, das ſie mir ließen, mein Lottchen iſt todt, iſt todt, lieber Gott, iſt todt, o ich Bettler! Lottchen iſt todt, und ich bin es bey lebendigem Leibe. Das iſt mehr als todt. Alles todt — alles todt — nur ich nicht todt. Sie iſt bey ihrer Mutter, ſie iſt bei ihrem Vater, ſie iſt bey meinem Weibe; allein die hatten an einander genug. Was hab denn ich? was? Seit Lottchen todt iſt, oder

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/578>, abgerufen am 23.05.2024.