brauchten sie, Lottchen anzusehen. Es lag nicht an Maschen und mir, daß wir nicht mehr Kinder hatten; am lieben Gott lag es, der am besten weiß, was jedem dient. O du lieber Gott! Lotte starb im ersten Kind- bette. Alles weinte, nur ich konnte nicht weinen; so gings mir ans Herz. Lotte starb; doch zum Trost ließ sie mir ein ander Lottchen, ihr Wesen.
Ach daß sich Gott erbarm, nun bin, nun bin ich bettelarm!
nicht, wi[e] mein Schwiegersohn starb! Der brave Junge. Er ward mit Lottchen erzo- gen, und sie waren im fünften Jahr schon Mann und Weib. Gern sah ichs, daß sie Greger nahm, obschon er nichts hatte. Er war gut, das ist mehr, als alles, wenn man bey allem nicht gut ist. Schön war es zu sehn, wie sich die junge Leutchens lieb- ten! Hätten sie sich nicht so abgezehret; würd' ich sie so bald noch nicht haben Hoch- zeit machen lassen. So was gieriges im Aug' als die Leutchens zeigten, hab' ich noch nie gesehen -- man bekam Appetit, wenn man ihren Hunger und Durst nach einander sahe. Er starb vier Wochen nach ihr. Wer ihn kannte, weint' über seinen Tod; ich aber
freute
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brauchten ſie, Lottchen anzuſehen. Es lag nicht an Maſchen und mir, daß wir nicht mehr Kinder hatten; am lieben Gott lag es, der am beſten weiß, was jedem dient. O du lieber Gott! Lotte ſtarb im erſten Kind- bette. Alles weinte, nur ich konnte nicht weinen; ſo gings mir ans Herz. Lotte ſtarb; doch zum Troſt ließ ſie mir ein ander Lottchen, ihr Weſen.
Ach daß ſich Gott erbarm, nun bin, nun bin ich bettelarm!
nicht, wi[e] mein Schwiegerſohn ſtarb! Der brave Junge. Er ward mit Lottchen erzo- gen, und ſie waren im fuͤnften Jahr ſchon Mann und Weib. Gern ſah ichs, daß ſie Greger nahm, obſchon er nichts hatte. Er war gut, das iſt mehr, als alles, wenn man bey allem nicht gut iſt. Schoͤn war es zu ſehn, wie ſich die junge Leutchens lieb- ten! Haͤtten ſie ſich nicht ſo abgezehret; wuͤrd’ ich ſie ſo bald noch nicht haben Hoch- zeit machen laſſen. So was gieriges im Aug’ als die Leutchens zeigten, hab’ ich noch nie geſehen — man bekam Appetit, wenn man ihren Hunger und Durſt nach einander ſahe. Er ſtarb vier Wochen nach ihr. Wer ihn kannte, weint’ uͤber ſeinen Tod; ich aber
freute
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brauchten ſie, Lottchen anzuſehen. Es lag
nicht an Maſchen und mir, daß wir nicht
mehr Kinder hatten; am lieben Gott lag es,
der am beſten weiß, was jedem dient. O
du lieber Gott! Lotte ſtarb im erſten Kind-
bette. Alles weinte, nur ich konnte nicht
weinen; ſo gings mir ans Herz. Lotte
ſtarb; doch zum Troſt ließ ſie mir ein ander
Lottchen, ihr Weſen.
Ach daß ſich Gott erbarm,
nun bin, nun bin ich bettelarm!
nicht, wie mein Schwiegerſohn ſtarb! Der
brave Junge. Er ward mit Lottchen erzo-
gen, und ſie waren im fuͤnften Jahr ſchon
Mann und Weib. Gern ſah ichs, daß ſie
Greger nahm, obſchon er nichts hatte. Er
war gut, das iſt mehr, als alles, wenn
man bey allem nicht gut iſt. Schoͤn war
es zu ſehn, wie ſich die junge Leutchens lieb-
ten! Haͤtten ſie ſich nicht ſo abgezehret;
wuͤrd’ ich ſie ſo bald noch nicht haben Hoch-
zeit machen laſſen. So was gieriges im Aug’
als die Leutchens zeigten, hab’ ich noch nie
geſehen — man bekam Appetit, wenn man
ihren Hunger und Durſt nach einander ſahe.
Er ſtarb vier Wochen nach ihr. Wer ihn
kannte, weint’ uͤber ſeinen Tod; ich aber
freute
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/577>, abgerufen am 22.11.2024.
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