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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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Pfarrer. Das hab' ich, erwiederte er. Der
Bote des Friedens ließ sie nicht von seiner
Hand, und bat sie, mit ihm zu kommen. --
Dieses nahm sie als Gottes Einladung an,
und dankt ihm herzlich für das Aestchen, das
er ihr anbot. Mine war so schwach, daß sie
sich gleich ins Bette legen mußte, so bald sie
zum Prediger kam. --

Laßt mich kurz seyn, liebe Leser, ihr könnt
fühlen, nicht wahr? ihr könnt es -- wie
mir ist. Wenigstens hier und dort und da.
Laßt mich abbrechen, und leset mehr als da
steht. --

Die Dulderin konnte selbst ihren Ver-
wandten nur durchs Fenster begraben sehen.
Da man ihn einsenkte, sank sie ohnmächtig
hin, und mußt' ins Bett getragen werden.
-- Sie sagte, da sie wieder zu sich selber
kam, es wär' ihr im sanften Schlummer so vor-
gekommen, als trüge man sie selbst ins Grab. --
Sie war zuweilen sehr unruhig, und blieb es
so lange, bis sie dem rechtschaffenen Geistlichen
ihren ganzen Lebenslauf gebeichtet, und ihr
schwer beladenes Herz gelichtet hatte. --
Der redliche Mann stärkt' und tröstete sie!
Er billigte diese so engelreine Liebe, die Lilien-
keusche Liebe, wie er sie zu nennen die Güte

hatte

Pfarrer. Das hab’ ich, erwiederte er. Der
Bote des Friedens ließ ſie nicht von ſeiner
Hand, und bat ſie, mit ihm zu kommen. —
Dieſes nahm ſie als Gottes Einladung an,
und dankt ihm herzlich fuͤr das Aeſtchen, das
er ihr anbot. Mine war ſo ſchwach, daß ſie
ſich gleich ins Bette legen mußte, ſo bald ſie
zum Prediger kam. —

Laßt mich kurz ſeyn, liebe Leſer, ihr koͤnnt
fuͤhlen, nicht wahr? ihr koͤnnt es — wie
mir iſt. Wenigſtens hier und dort und da.
Laßt mich abbrechen, und leſet mehr als da
ſteht. —

Die Dulderin konnte ſelbſt ihren Ver-
wandten nur durchs Fenſter begraben ſehen.
Da man ihn einſenkte, ſank ſie ohnmaͤchtig
hin, und mußt’ ins Bett getragen werden.
— Sie ſagte, da ſie wieder zu ſich ſelber
kam, es waͤr’ ihr im ſanften Schlummer ſo vor-
gekommen, als truͤge man ſie ſelbſt ins Grab. —
Sie war zuweilen ſehr unruhig, und blieb es
ſo lange, bis ſie dem rechtſchaffenen Geiſtlichen
ihren ganzen Lebenslauf gebeichtet, und ihr
ſchwer beladenes Herz gelichtet hatte. —
Der redliche Mann ſtaͤrkt’ und troͤſtete ſie!
Er billigte dieſe ſo engelreine Liebe, die Lilien-
keuſche Liebe, wie er ſie zu nennen die Guͤte

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[415/0425] Pfarrer. Das hab’ ich, erwiederte er. Der Bote des Friedens ließ ſie nicht von ſeiner Hand, und bat ſie, mit ihm zu kommen. — Dieſes nahm ſie als Gottes Einladung an, und dankt ihm herzlich fuͤr das Aeſtchen, das er ihr anbot. Mine war ſo ſchwach, daß ſie ſich gleich ins Bette legen mußte, ſo bald ſie zum Prediger kam. — Laßt mich kurz ſeyn, liebe Leſer, ihr koͤnnt fuͤhlen, nicht wahr? ihr koͤnnt es — wie mir iſt. Wenigſtens hier und dort und da. Laßt mich abbrechen, und leſet mehr als da ſteht. — Die Dulderin konnte ſelbſt ihren Ver- wandten nur durchs Fenſter begraben ſehen. Da man ihn einſenkte, ſank ſie ohnmaͤchtig hin, und mußt’ ins Bett getragen werden. — Sie ſagte, da ſie wieder zu ſich ſelber kam, es waͤr’ ihr im ſanften Schlummer ſo vor- gekommen, als truͤge man ſie ſelbſt ins Grab. — Sie war zuweilen ſehr unruhig, und blieb es ſo lange, bis ſie dem rechtſchaffenen Geiſtlichen ihren ganzen Lebenslauf gebeichtet, und ihr ſchwer beladenes Herz gelichtet hatte. — Der redliche Mann ſtaͤrkt’ und troͤſtete ſie! Er billigte dieſe ſo engelreine Liebe, die Lilien- keuſche Liebe, wie er ſie zu nennen die Guͤte hatte

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/425>, abgerufen am 22.11.2024.