heber verzeihen solte, waren Minen unbe- greifliche Dinge; -- allein die Hauptsache war desto brgreiflicher. -- Mine that ihren Mund nicht auf. -- Zu meinem Vater sich zu wenden, hatte sie kein Herz. -- Es fiel ihr der Ueberfall im Wäldchen ein. -- Dieser hatte bey Minen etwas zurückgelassen, was sie hielt -- sie wolte schon; allein sie konnt' es nicht vollenden, o! liebe, liebe Mine, warum nicht? --
Als ich einem meiner Freunde aus freyer Faust meinen Lebenslauf erzählte, und an diese Stelle kam, bey der ich ihn fragte: ha- ben Sie das von meiner Mutter gedacht? antwortet' er: ja, Freund; denn sie konnte buchstabiren, sie setzte ihren Casum, und war fromm.
Ob mein Freund recht gerichtet, mö- gen meine Leser, nicht hier, sondern über ein kleines beurtheilen. -- --
Herr v. E. kam jeden Sonntag' in unsre Kirche. Mine sah ihn nicht an; allein er sahe sie, und wie er sahe? das wissen wir schon. Er verlobte sich wirklich mit dem Te- staments Fräulein; den Sonntag darauf war er in unsrer Kirche mit ihr, und trieb die
Sache
heber verzeihen ſolte, waren Minen unbe- greifliche Dinge; — allein die Hauptſache war deſto brgreiflicher. — Mine that ihren Mund nicht auf. — Zu meinem Vater ſich zu wenden, hatte ſie kein Herz. — Es fiel ihr der Ueberfall im Waͤldchen ein. — Dieſer hatte bey Minen etwas zuruͤckgelaſſen, was ſie hielt — ſie wolte ſchon; allein ſie konnt’ es nicht vollenden, o! liebe, liebe Mine, warum nicht? —
Als ich einem meiner Freunde aus freyer Fauſt meinen Lebenslauf erzaͤhlte, und an dieſe Stelle kam, bey der ich ihn fragte: ha- ben Sie das von meiner Mutter gedacht? antwortet’ er: ja, Freund; denn ſie konnte buchſtabiren, ſie ſetzte ihren Caſum, und war fromm.
Ob mein Freund recht gerichtet, moͤ- gen meine Leſer, nicht hier, ſondern uͤber ein kleines beurtheilen. — —
Herr v. E. kam jeden Sonntag’ in unſre Kirche. Mine ſah ihn nicht an; allein er ſahe ſie, und wie er ſahe? das wiſſen wir ſchon. Er verlobte ſich wirklich mit dem Te- ſtaments Fraͤulein; den Sonntag darauf war er in unſrer Kirche mit ihr, und trieb die
Sache
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0343"n="335"/>
heber verzeihen ſolte, waren Minen unbe-<lb/>
greifliche Dinge; — allein die Hauptſache<lb/>
war deſto brgreiflicher. — Mine that ihren<lb/>
Mund nicht auf. — Zu meinem Vater ſich<lb/>
zu wenden, hatte ſie kein Herz. — Es fiel ihr<lb/>
der Ueberfall im Waͤldchen ein. — Dieſer<lb/>
hatte bey Minen etwas zuruͤckgelaſſen, was<lb/>ſie hielt —ſie wolte ſchon; allein ſie konnt’<lb/>
es nicht vollenden, o! liebe, liebe Mine,<lb/>
warum nicht? —</p><lb/><p>Als ich einem meiner Freunde aus freyer<lb/>
Fauſt meinen Lebenslauf erzaͤhlte, und an<lb/>
dieſe Stelle kam, bey der ich ihn fragte: ha-<lb/>
ben Sie das von meiner Mutter gedacht?<lb/>
antwortet’ er: ja, Freund; denn ſie konnte<lb/><hirendition="#et">buchſtabiren,<lb/>ſie ſetzte ihren Caſum, und<lb/>
war fromm.</hi></p><lb/><p>Ob mein Freund recht gerichtet, moͤ-<lb/>
gen meine Leſer, nicht hier, ſondern uͤber<lb/>
ein kleines beurtheilen. ——</p><lb/><p>Herr v. E. kam jeden Sonntag’ in unſre<lb/>
Kirche. Mine ſah ihn nicht an; allein er<lb/>ſahe ſie, und wie er ſahe? das wiſſen wir<lb/>ſchon. Er verlobte ſich wirklich mit dem Te-<lb/>ſtaments Fraͤulein; den Sonntag darauf war<lb/>
er in unſrer Kirche mit ihr, und trieb die<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Sache</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[335/0343]
heber verzeihen ſolte, waren Minen unbe-
greifliche Dinge; — allein die Hauptſache
war deſto brgreiflicher. — Mine that ihren
Mund nicht auf. — Zu meinem Vater ſich
zu wenden, hatte ſie kein Herz. — Es fiel ihr
der Ueberfall im Waͤldchen ein. — Dieſer
hatte bey Minen etwas zuruͤckgelaſſen, was
ſie hielt — ſie wolte ſchon; allein ſie konnt’
es nicht vollenden, o! liebe, liebe Mine,
warum nicht? —
Als ich einem meiner Freunde aus freyer
Fauſt meinen Lebenslauf erzaͤhlte, und an
dieſe Stelle kam, bey der ich ihn fragte: ha-
ben Sie das von meiner Mutter gedacht?
antwortet’ er: ja, Freund; denn ſie konnte
buchſtabiren,
ſie ſetzte ihren Caſum, und
war fromm.
Ob mein Freund recht gerichtet, moͤ-
gen meine Leſer, nicht hier, ſondern uͤber
ein kleines beurtheilen. — —
Herr v. E. kam jeden Sonntag’ in unſre
Kirche. Mine ſah ihn nicht an; allein er
ſahe ſie, und wie er ſahe? das wiſſen wir
ſchon. Er verlobte ſich wirklich mit dem Te-
ſtaments Fraͤulein; den Sonntag darauf war
er in unſrer Kirche mit ihr, und trieb die
Sache
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/343>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.