Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

"Diese Hände" sie faltete sie, und sprach so
feyerlich, als wenn sie einen Eid ablegte,
"diese Hände sollen Tag und Nacht arbeiten"
"-- Herrmann war wirklich bewegt." Ist
"ihnen der Unterricht der Kinder schwer, sie
"können ja nicht blos ein Mundwerk, son-
"dern mehr als ein Handwerk --" Pfuy,
sagte der alte Herr, so gerührt er auch war.
Mine wolte das Handwerk dieses Pfuys we-
gen verreden; allein Herrmann ließ sie nicht
vom Fleck. Handwerk! fuhr er fort. Wie
kannst du mir ein Handwerk vorrücken? Was
hab' ich denn für eins getrieben? Die Schnei-
derey an ihren Ort gestelt, wo ich doch auch
kein Kleid, keinen Ueberrock, sondern Sa-
chen fertigte, die nicht ins Auge fielen.
Brusttücher und so was. -- Von Stie-
feln Schuh, von Schuhen Pantoffeln künsteln,
heißt das Schustern? Und etwas aus Thon
drechseln, heißt das Töpfer seyn? Ich
war, damit du's einmal für allemal weißt,
Freyschneider, Freyschuster, Freytöpfer, so
wie viele von unsern Hochwohlgebohrnen
Herren, wenn sie von Reisen kommen, Frey-
mäurer
sind. Mine gab sich alle nur ersinn-
liche Mühe, ihren Vater zu beruhigen; al-
lein vergebens. Er konnt' ihr das Hand-

werk

„Dieſe Haͤnde„ ſie faltete ſie, und ſprach ſo
feyerlich, als wenn ſie einen Eid ablegte,
„dieſe Haͤnde ſollen Tag und Nacht arbeiten„
„— Herrmann war wirklich bewegt.„ Iſt
„ihnen der Unterricht der Kinder ſchwer, ſie
„koͤnnen ja nicht blos ein Mundwerk, ſon-
„dern mehr als ein Handwerk —„ Pfuy,
ſagte der alte Herr, ſo geruͤhrt er auch war.
Mine wolte das Handwerk dieſes Pfuys we-
gen verreden; allein Herrmann ließ ſie nicht
vom Fleck. Handwerk! fuhr er fort. Wie
kannſt du mir ein Handwerk vorruͤcken? Was
hab’ ich denn fuͤr eins getrieben? Die Schnei-
derey an ihren Ort geſtelt, wo ich doch auch
kein Kleid, keinen Ueberrock, ſondern Sa-
chen fertigte, die nicht ins Auge fielen.
Bruſttuͤcher und ſo was. — Von Stie-
feln Schuh, von Schuhen Pantoffeln kuͤnſteln,
heißt das Schuſtern? Und etwas aus Thon
drechſeln, heißt das Toͤpfer ſeyn? Ich
war, damit du’s einmal fuͤr allemal weißt,
Freyſchneider, Freyſchuſter, Freytoͤpfer, ſo
wie viele von unſern Hochwohlgebohrnen
Herren, wenn ſie von Reiſen kommen, Frey-
maͤurer
ſind. Mine gab ſich alle nur erſinn-
liche Muͤhe, ihren Vater zu beruhigen; al-
lein vergebens. Er konnt’ ihr das Hand-

werk
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0328" n="320"/>
&#x201E;Die&#x017F;e Ha&#x0364;nde&#x201E; &#x017F;ie faltete &#x017F;ie, und &#x017F;prach &#x017F;o<lb/>
feyerlich, als wenn &#x017F;ie einen Eid ablegte,<lb/>
&#x201E;die&#x017F;e Ha&#x0364;nde &#x017F;ollen Tag und Nacht arbeiten&#x201E;<lb/>
&#x201E;&#x2014; Herrmann war wirklich bewegt.&#x201E; I&#x017F;t<lb/>
&#x201E;ihnen der Unterricht der Kinder &#x017F;chwer, &#x017F;ie<lb/>
&#x201E;ko&#x0364;nnen ja nicht blos ein Mundwerk, &#x017F;on-<lb/>
&#x201E;dern mehr als ein Handwerk &#x2014;&#x201E; Pfuy,<lb/>
&#x017F;agte der alte Herr, &#x017F;o geru&#x0364;hrt er auch war.<lb/><hi rendition="#fr">Mine</hi> wolte das Handwerk die&#x017F;es Pfuys we-<lb/>
gen verreden; allein <hi rendition="#fr">Herrmann</hi> ließ &#x017F;ie nicht<lb/>
vom Fleck. Handwerk! fuhr er fort. Wie<lb/>
kann&#x017F;t du mir ein Handwerk vorru&#x0364;cken? Was<lb/>
hab&#x2019; ich denn fu&#x0364;r eins getrieben? Die Schnei-<lb/>
derey an ihren Ort ge&#x017F;telt, wo ich doch auch<lb/>
kein Kleid, keinen Ueberrock, &#x017F;ondern Sa-<lb/>
chen fertigte, die nicht ins Auge fielen.<lb/>
Bru&#x017F;ttu&#x0364;cher und &#x017F;o was. &#x2014; Von Stie-<lb/>
feln Schuh, von Schuhen Pantoffeln ku&#x0364;n&#x017F;teln,<lb/>
heißt das Schu&#x017F;tern? Und etwas aus Thon<lb/>
drech&#x017F;eln, heißt das To&#x0364;pfer &#x017F;eyn? Ich<lb/>
war, damit du&#x2019;s einmal fu&#x0364;r allemal weißt,<lb/><hi rendition="#fr">Frey&#x017F;chneider, Frey&#x017F;chu&#x017F;ter, Freyto&#x0364;pfer,</hi> &#x017F;o<lb/>
wie viele von un&#x017F;ern Hochwohlgebohrnen<lb/>
Herren, wenn &#x017F;ie von Rei&#x017F;en kommen, <hi rendition="#fr">Frey-<lb/>
ma&#x0364;urer</hi> &#x017F;ind. Mine gab &#x017F;ich alle nur er&#x017F;inn-<lb/>
liche Mu&#x0364;he, ihren Vater zu beruhigen; al-<lb/>
lein vergebens. Er konnt&#x2019; ihr das Hand-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">werk</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0328] „Dieſe Haͤnde„ ſie faltete ſie, und ſprach ſo feyerlich, als wenn ſie einen Eid ablegte, „dieſe Haͤnde ſollen Tag und Nacht arbeiten„ „— Herrmann war wirklich bewegt.„ Iſt „ihnen der Unterricht der Kinder ſchwer, ſie „koͤnnen ja nicht blos ein Mundwerk, ſon- „dern mehr als ein Handwerk —„ Pfuy, ſagte der alte Herr, ſo geruͤhrt er auch war. Mine wolte das Handwerk dieſes Pfuys we- gen verreden; allein Herrmann ließ ſie nicht vom Fleck. Handwerk! fuhr er fort. Wie kannſt du mir ein Handwerk vorruͤcken? Was hab’ ich denn fuͤr eins getrieben? Die Schnei- derey an ihren Ort geſtelt, wo ich doch auch kein Kleid, keinen Ueberrock, ſondern Sa- chen fertigte, die nicht ins Auge fielen. Bruſttuͤcher und ſo was. — Von Stie- feln Schuh, von Schuhen Pantoffeln kuͤnſteln, heißt das Schuſtern? Und etwas aus Thon drechſeln, heißt das Toͤpfer ſeyn? Ich war, damit du’s einmal fuͤr allemal weißt, Freyſchneider, Freyſchuſter, Freytoͤpfer, ſo wie viele von unſern Hochwohlgebohrnen Herren, wenn ſie von Reiſen kommen, Frey- maͤurer ſind. Mine gab ſich alle nur erſinn- liche Muͤhe, ihren Vater zu beruhigen; al- lein vergebens. Er konnt’ ihr das Hand- werk

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/328
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/328>, abgerufen am 22.11.2024.