Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

"War ich denn auch nicht einmal eines gefir-
"nißten eines verkleideten werth? mußte mir
"denn dieser Entwurf ganz wie er war! und
"nicht einst gekrümmelt dargelegt werden!
"Mir! -- zwar wäre mir die Bosheit auch
"in ihrer Larve nicht entgangen, ich hätte das
"Gift auch im Wein erkannt, und wenn ich
"zu schwach gewesen, wahrlich! Gottes En-
"gel hätten mir den Vorhang aufgezogen,
"wenn er noch so künstlich wäre gewebt wor-
"den! aber diese Dummdreistigkeit im La-
"ster! -- Gott!" -- -- sie reckte ihre Hand
weit gen Himmel, um sich durch diese Voll-
macht zu der guten Sache zu berechtigen: sie
sprach im Namen der Tugend, als ihre Macht-
haberin, und Herrmann rang die Hände,
schlug an seine Brust und versprach, sie nicht
zu verrathen, und zu verkaufen: sie nicht zu
vertauschen, auch selbst -- was konnt' er
mehr versprechen, auch selbst -- "wenn ich
drüber Denen verlieren soll!" --

Diese Busandacht bewegte Minen, sie
fiel ihm um den Hals, sie weinte, sie betete,
sie versprach ihn mit ihrer Hände Arbeit zu
ernähren, und ihren Bruder, der bald aus
der Lehre treten würde, zur Beysteuer zu be-
quemen, um ohne Denen leben zu können.

"Diese

„War ich denn auch nicht einmal eines gefir-
„nißten eines verkleideten werth? mußte mir
„denn dieſer Entwurf ganz wie er war! und
„nicht einſt gekruͤmmelt dargelegt werden!
„Mir! — zwar waͤre mir die Bosheit auch
„in ihrer Larve nicht entgangen, ich haͤtte das
„Gift auch im Wein erkannt, und wenn ich
„zu ſchwach geweſen, wahrlich! Gottes En-
„gel haͤtten mir den Vorhang aufgezogen,
„wenn er noch ſo kuͤnſtlich waͤre gewebt wor-
„den! aber dieſe Dummdreiſtigkeit im La-
„ſter! — Gott!„ — — ſie reckte ihre Hand
weit gen Himmel, um ſich durch dieſe Voll-
macht zu der guten Sache zu berechtigen: ſie
ſprach im Namen der Tugend, als ihre Macht-
haberin, und Herrmann rang die Haͤnde,
ſchlug an ſeine Bruſt und verſprach, ſie nicht
zu verrathen, und zu verkaufen: ſie nicht zu
vertauſchen, auch ſelbſt — was konnt’ er
mehr verſprechen, auch ſelbſt — „wenn ich
druͤber Denen verlieren ſoll!„ —

Dieſe Busandacht bewegte Minen, ſie
fiel ihm um den Hals, ſie weinte, ſie betete,
ſie verſprach ihn mit ihrer Haͤnde Arbeit zu
ernaͤhren, und ihren Bruder, der bald aus
der Lehre treten wuͤrde, zur Beyſteuer zu be-
quemen, um ohne Denen leben zu koͤnnen.

„Dieſe
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0327" n="319"/>
&#x201E;War ich denn auch nicht einmal eines gefir-<lb/>
&#x201E;nißten eines verkleideten werth? mußte mir<lb/>
&#x201E;denn die&#x017F;er Entwurf ganz wie er war! und<lb/>
&#x201E;nicht ein&#x017F;t gekru&#x0364;mmelt dargelegt werden!<lb/>
&#x201E;Mir! &#x2014; zwar wa&#x0364;re mir die Bosheit auch<lb/>
&#x201E;in ihrer Larve nicht entgangen, ich ha&#x0364;tte das<lb/>
&#x201E;Gift auch im Wein erkannt, und wenn ich<lb/>
&#x201E;zu &#x017F;chwach gewe&#x017F;en, wahrlich! Gottes En-<lb/>
&#x201E;gel ha&#x0364;tten mir den Vorhang aufgezogen,<lb/>
&#x201E;wenn er noch &#x017F;o ku&#x0364;n&#x017F;tlich wa&#x0364;re gewebt wor-<lb/>
&#x201E;den! aber die&#x017F;e Dummdrei&#x017F;tigkeit im La-<lb/>
&#x201E;&#x017F;ter! &#x2014; Gott!&#x201E; &#x2014; &#x2014; &#x017F;ie reckte ihre Hand<lb/>
weit gen Himmel, um &#x017F;ich durch die&#x017F;e Voll-<lb/>
macht zu der guten Sache zu berechtigen: &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;prach im Namen der Tugend, als ihre Macht-<lb/>
haberin, und Herrmann rang die Ha&#x0364;nde,<lb/>
&#x017F;chlug an &#x017F;eine Bru&#x017F;t und ver&#x017F;prach, &#x017F;ie nicht<lb/>
zu verrathen, und zu verkaufen: &#x017F;ie nicht zu<lb/>
vertau&#x017F;chen, auch &#x017F;elb&#x017F;t &#x2014; was konnt&#x2019; er<lb/>
mehr ver&#x017F;prechen, auch &#x017F;elb&#x017F;t &#x2014; &#x201E;wenn ich<lb/>
dru&#x0364;ber <hi rendition="#fr">Denen</hi> verlieren &#x017F;oll!&#x201E; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e Busandacht bewegte Minen, &#x017F;ie<lb/>
fiel ihm um den Hals, &#x017F;ie weinte, &#x017F;ie betete,<lb/>
&#x017F;ie ver&#x017F;prach ihn mit ihrer Ha&#x0364;nde Arbeit zu<lb/>
erna&#x0364;hren, und ihren Bruder, der bald aus<lb/>
der Lehre treten wu&#x0364;rde, zur Bey&#x017F;teuer zu be-<lb/>
quemen, um ohne <hi rendition="#fr">Denen</hi> leben zu ko&#x0364;nnen.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Die&#x017F;e</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[319/0327] „War ich denn auch nicht einmal eines gefir- „nißten eines verkleideten werth? mußte mir „denn dieſer Entwurf ganz wie er war! und „nicht einſt gekruͤmmelt dargelegt werden! „Mir! — zwar waͤre mir die Bosheit auch „in ihrer Larve nicht entgangen, ich haͤtte das „Gift auch im Wein erkannt, und wenn ich „zu ſchwach geweſen, wahrlich! Gottes En- „gel haͤtten mir den Vorhang aufgezogen, „wenn er noch ſo kuͤnſtlich waͤre gewebt wor- „den! aber dieſe Dummdreiſtigkeit im La- „ſter! — Gott!„ — — ſie reckte ihre Hand weit gen Himmel, um ſich durch dieſe Voll- macht zu der guten Sache zu berechtigen: ſie ſprach im Namen der Tugend, als ihre Macht- haberin, und Herrmann rang die Haͤnde, ſchlug an ſeine Bruſt und verſprach, ſie nicht zu verrathen, und zu verkaufen: ſie nicht zu vertauſchen, auch ſelbſt — was konnt’ er mehr verſprechen, auch ſelbſt — „wenn ich druͤber Denen verlieren ſoll!„ — Dieſe Busandacht bewegte Minen, ſie fiel ihm um den Hals, ſie weinte, ſie betete, ſie verſprach ihn mit ihrer Haͤnde Arbeit zu ernaͤhren, und ihren Bruder, der bald aus der Lehre treten wuͤrde, zur Beyſteuer zu be- quemen, um ohne Denen leben zu koͤnnen. „Dieſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/327
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/327>, abgerufen am 13.05.2024.