und diese donationem mortis caussa zu den Denkzetteln meiner Mutter zu legen, die mir als eine donatio inter viuos vorkam; so de- ponirt' ich diese Schrift vor der Hand ins Bett unters Kopfküssen, und dacht' an mei- ne Mutter, und an den hochheiligen Abend vor der ersten Predigt bey diesem Interims- deposito. Ich mußt' eilen; denn der alte Herr kam wieder, und ein Bedienter hinter her, mit Wein und einem Teller voll Rauch- toback. Da ist Essen und Trinken, sagte der alte Herr, und that dabey, als ob er etwas sehr witziges gesagt hätte, welches ich aber nicht finden konnte. Bald darauf fieng er sich an zu beklagen, daß er einen guten Freund seines Hauses an mir verlöhre, und ich nahm Gelegenheit, mich nach seinem Sohne zu erkundigen; vielleicht, dacht' ich, fängt er von selbst von seiner Tochter an, -- wenn er doch anfienge!
Ich sah es seinen Augenwimpern, seiner Nas' und Stirn an, daß er sein ganzes Gesicht umstimmen mußte, eh' er heraus zu bringen im Stande war, daß der Sohn eines Litte- ratus ein Schneider geworden wäre, ob- gleich mein Brusttuch, wie man es in Cur- land nennt, noch von der selbst eigenen ge-
lehrten
und dieſe donationem mortis cauſſa zu den Denkzetteln meiner Mutter zu legen, die mir als eine donatio inter viuos vorkam; ſo de- ponirt’ ich dieſe Schrift vor der Hand ins Bett unters Kopfkuͤſſen, und dacht’ an mei- ne Mutter, und an den hochheiligen Abend vor der erſten Predigt bey dieſem Interims- depoſito. Ich mußt’ eilen; denn der alte Herr kam wieder, und ein Bedienter hinter her, mit Wein und einem Teller voll Rauch- toback. Da iſt Eſſen und Trinken, ſagte der alte Herr, und that dabey, als ob er etwas ſehr witziges geſagt haͤtte, welches ich aber nicht finden konnte. Bald darauf fieng er ſich an zu beklagen, daß er einen guten Freund ſeines Hauſes an mir verloͤhre, und ich nahm Gelegenheit, mich nach ſeinem Sohne zu erkundigen; vielleicht, dacht’ ich, faͤngt er von ſelbſt von ſeiner Tochter an, — wenn er doch anfienge!
Ich ſah es ſeinen Augenwimpern, ſeiner Naſ’ und Stirn an, daß er ſein ganzes Geſicht umſtimmen mußte, eh’ er heraus zu bringen im Stande war, daß der Sohn eines Litte- ratus ein Schneider geworden waͤre, ob- gleich mein Bruſttuch, wie man es in Cur- land nennt, noch von der ſelbſt eigenen ge-
lehrten
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[26/0032]
und dieſe donationem mortis cauſſa zu den
Denkzetteln meiner Mutter zu legen, die mir
als eine donatio inter viuos vorkam; ſo de-
ponirt’ ich dieſe Schrift vor der Hand ins
Bett unters Kopfkuͤſſen, und dacht’ an mei-
ne Mutter, und an den hochheiligen Abend
vor der erſten Predigt bey dieſem Interims-
depoſito. Ich mußt’ eilen; denn der alte
Herr kam wieder, und ein Bedienter hinter
her, mit Wein und einem Teller voll Rauch-
toback. Da iſt Eſſen und Trinken, ſagte der
alte Herr, und that dabey, als ob er etwas
ſehr witziges geſagt haͤtte, welches ich aber
nicht finden konnte. Bald darauf fieng er
ſich an zu beklagen, daß er einen guten
Freund ſeines Hauſes an mir verloͤhre, und
ich nahm Gelegenheit, mich nach ſeinem
Sohne zu erkundigen; vielleicht, dacht’ ich,
faͤngt er von ſelbſt von ſeiner Tochter an, —
wenn er doch anfienge!
Ich ſah es ſeinen Augenwimpern, ſeiner
Naſ’ und Stirn an, daß er ſein ganzes Geſicht
umſtimmen mußte, eh’ er heraus zu bringen
im Stande war, daß der Sohn eines Litte-
ratus ein Schneider geworden waͤre, ob-
gleich mein Bruſttuch, wie man es in Cur-
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/32>, abgerufen am 23.11.2024.
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