ger! Die eine da! Ein Aug' ins Himmels- blau getaucht -- der, den sie mit diesem Aug' ansieht, glaubt, er sähe den Himmel in Mi- niatür. -- Wenn ich sie zuweilen (denn sie verdient' es) ganz allein ansah', dann! dann! fragte mich ihr Auge so, daß es mein Inner- stes hören konnte: ist's auch wahr? und wenn ihr mein Auge vorlog! Ja, es ist wahr! o wie zitterte dann süße Verwirrung in ihrem Auge, recht als ob wir zur Trau gehen solten, und noch weiter. -- Das ist ein Mädchen, so ich dir gönne, (er wandte sich zu mir.) Ihr Athem göttlich! Bruder! Wen sie anhaucht, von dem könnt' es heißen: also ward der Mensch eine lebendige Seele! Sie spielt eine Laute, Bruder! Des Abends im Sommer, wenn sie am Fenster diesem Instrument die Zunge löset -- Zephirs, die eben der Hitze halber Mittagsruhe gehalten -- denn es ist im Sommer hier sehr heiß, flatterten ganz frisch und munter herum, und brachten mir alles, bis auf die geheimste Bebung zu! Auf Ehr' in jedem Finger hat sie eine Seele! und wenn alle diese Seelen einen Ton heraus- brachten -- Bruder, da ist die Nachtigal ein Kind! -- Leb wohl, Amalia! Leb wohl! Ich laß dir einen braven Jungen zurück, der
auch
ger! Die eine da! Ein Aug’ ins Himmels- blau getaucht — der, den ſie mit dieſem Aug’ anſieht, glaubt, er ſaͤhe den Himmel in Mi- niatuͤr. — Wenn ich ſie zuweilen (denn ſie verdient’ es) ganz allein anſah’, dann! dann! fragte mich ihr Auge ſo, daß es mein Inner- ſtes hoͤren konnte: iſt’s auch wahr? und wenn ihr mein Auge vorlog! Ja, es iſt wahr! o wie zitterte dann ſuͤße Verwirrung in ihrem Auge, recht als ob wir zur Trau gehen ſolten, und noch weiter. — Das iſt ein Maͤdchen, ſo ich dir goͤnne, (er wandte ſich zu mir.) Ihr Athem goͤttlich! Bruder! Wen ſie anhaucht, von dem koͤnnt’ es heißen: alſo ward der Menſch eine lebendige Seele! Sie ſpielt eine Laute, Bruder! Des Abends im Sommer, wenn ſie am Fenſter dieſem Inſtrument die Zunge loͤſet — Zephirs, die eben der Hitze halber Mittagsruhe gehalten — denn es iſt im Sommer hier ſehr heiß, flatterten ganz friſch und munter herum, und brachten mir alles, bis auf die geheimſte Bebung zu! Auf Ehr’ in jedem Finger hat ſie eine Seele! und wenn alle dieſe Seelen einen Ton heraus- brachten — Bruder, da iſt die Nachtigal ein Kind! — Leb wohl, Amalia! Leb wohl! Ich laß dir einen braven Jungen zuruͤck, der
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ger! Die eine da! Ein Aug’ ins Himmels-
blau getaucht — der, den ſie mit dieſem Aug’
anſieht, glaubt, er ſaͤhe den Himmel in Mi-
niatuͤr. — Wenn ich ſie zuweilen (denn ſie
verdient’ es) ganz allein anſah’, dann! dann!
fragte mich ihr Auge ſo, daß es mein Inner-
ſtes hoͤren konnte: iſt’s auch wahr? und wenn
ihr mein Auge vorlog! Ja, es iſt wahr! o wie
zitterte dann ſuͤße Verwirrung in ihrem Auge,
recht als ob wir zur Trau gehen ſolten, und
noch weiter. — Das iſt ein Maͤdchen, ſo ich
dir goͤnne, (er wandte ſich zu mir.) Ihr
Athem goͤttlich! Bruder! Wen ſie anhaucht,
von dem koͤnnt’ es heißen: alſo ward der
Menſch eine lebendige Seele! Sie ſpielt eine
Laute, Bruder! Des Abends im Sommer,
wenn ſie am Fenſter dieſem Inſtrument die
Zunge loͤſet — Zephirs, die eben der Hitze
halber Mittagsruhe gehalten — denn es iſt
im Sommer hier ſehr heiß, flatterten ganz
friſch und munter herum, und brachten mir
alles, bis auf die geheimſte Bebung zu! Auf
Ehr’ in jedem Finger hat ſie eine Seele! und
wenn alle dieſe Seelen einen Ton heraus-
brachten — Bruder, da iſt die Nachtigal
ein Kind! — Leb wohl, Amalia! Leb wohl!
Ich laß dir einen braven Jungen zuruͤck, der
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/266>, abgerufen am 22.11.2024.
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