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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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sich traurig auf. Ich verstand ihn ganz.
Seine Frau fragt' ihn: ist dir nicht wohl?
mit einem Tone, der mich überführte, daß
sie ihren Mann nach sich am meisten liebte,
und warum sollte sie's nicht? er war ja von
gutem Adel. Sehr wohl, erwidert' er, mein
Kind. -- Sie stand auf und küßt' ihn; er
blieb mit aufgestämmten Arm. Es ging al-
les still, wie bei einer Leichenwache zu, und
dieses brachte die Herren v. X. Y. Z. zum
Aufbruch. Schon lange hatten sie nach dem
Monde gesehen und es ihm übelgenommen,
daß er nicht eher aufgegangen war; denn es
ward nicht getrunken, wie des Mittags:
nicht geschrieen, wie des Mittags: nicht ge-
blasen wie des Mittags. Das hätte frei-
lich der Mond bedenken sollen. Sie zogen
unter einander auf die Wache, um keine Zeit
zu versäumen. Der erste Strahl war ein all-
gemeiner Wink zum Abschiede. Sie empfah-
len sich und fuhren mit ihren gnädigen Frauen,
denen des Mittags die Zeit lang geworden
war, weil viel, und des Abends weil wenig
gesprochen worden, heim. Die Waldhörner
wurden auf eine künstliche Art in Posthörner
verwandelt und man macht' ein solches Lerm;
als wenn dreißig blasende Postillions vorher-

ritten.

ſich traurig auf. Ich verſtand ihn ganz.
Seine Frau fragt’ ihn: iſt dir nicht wohl?
mit einem Tone, der mich uͤberfuͤhrte, daß
ſie ihren Mann nach ſich am meiſten liebte,
und warum ſollte ſie’s nicht? er war ja von
gutem Adel. Sehr wohl, erwidert’ er, mein
Kind. — Sie ſtand auf und kuͤßt’ ihn; er
blieb mit aufgeſtaͤmmten Arm. Es ging al-
les ſtill, wie bei einer Leichenwache zu, und
dieſes brachte die Herren v. X. Y. Z. zum
Aufbruch. Schon lange hatten ſie nach dem
Monde geſehen und es ihm uͤbelgenommen,
daß er nicht eher aufgegangen war; denn es
ward nicht getrunken, wie des Mittags:
nicht geſchrieen, wie des Mittags: nicht ge-
blaſen wie des Mittags. Das haͤtte frei-
lich der Mond bedenken ſollen. Sie zogen
unter einander auf die Wache, um keine Zeit
zu verſaͤumen. Der erſte Strahl war ein all-
gemeiner Wink zum Abſchiede. Sie empfah-
len ſich und fuhren mit ihren gnaͤdigen Frauen,
denen des Mittags die Zeit lang geworden
war, weil viel, und des Abends weil wenig
geſprochen worden, heim. Die Waldhoͤrner
wurden auf eine kuͤnſtliche Art in Poſthoͤrner
verwandelt und man macht’ ein ſolches Lerm;
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ritten.
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[16/0022] ſich traurig auf. Ich verſtand ihn ganz. Seine Frau fragt’ ihn: iſt dir nicht wohl? mit einem Tone, der mich uͤberfuͤhrte, daß ſie ihren Mann nach ſich am meiſten liebte, und warum ſollte ſie’s nicht? er war ja von gutem Adel. Sehr wohl, erwidert’ er, mein Kind. — Sie ſtand auf und kuͤßt’ ihn; er blieb mit aufgeſtaͤmmten Arm. Es ging al- les ſtill, wie bei einer Leichenwache zu, und dieſes brachte die Herren v. X. Y. Z. zum Aufbruch. Schon lange hatten ſie nach dem Monde geſehen und es ihm uͤbelgenommen, daß er nicht eher aufgegangen war; denn es ward nicht getrunken, wie des Mittags: nicht geſchrieen, wie des Mittags: nicht ge- blaſen wie des Mittags. Das haͤtte frei- lich der Mond bedenken ſollen. Sie zogen unter einander auf die Wache, um keine Zeit zu verſaͤumen. Der erſte Strahl war ein all- gemeiner Wink zum Abſchiede. Sie empfah- len ſich und fuhren mit ihren gnaͤdigen Frauen, denen des Mittags die Zeit lang geworden war, weil viel, und des Abends weil wenig geſprochen worden, heim. Die Waldhoͤrner wurden auf eine kuͤnſtliche Art in Poſthoͤrner verwandelt und man macht’ ein ſolches Lerm; als wenn dreißig blaſende Poſtillions vorher- ritten.

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/22>, abgerufen am 23.11.2024.