Man gieng den Abend zeitig zur Tafel, weil alles die Karten verbeten hatte. -- Zur Ehre der Herren v. X. Y. Z. muß ich noch anführen, daß sie nach ihrem Ausschlaf, um die edle Zeit auszukaufen, eine Stunde Wür- fel gespielt. --
Bei Tafel war alles auf den Ton des Herrn v. W. gestimmt, der mit schwarzer Weste, schwarzen Beinkleidern, und einem Flor um den linken Arm, bei der Mahlzeit erschien. Man sprach viel von den Schick- salen der Menschen und von der Ungewißheit der Todesstunde. Herr v. W. erzählte den Lebenslauf des Herr v. W., seines Herrn Grosvaters, dem heute aufs neue parentirt ward. Herr v. G. sprach vom Tode, wie ein Gerechter, der in seinem Tode getrost ist. Die Vernunft, sagt' er, ist ein Küssen; al- lein kein Kopfküssen. Die Einbildungskraft muß auch Beschäftigung haben, wenns zum Scheiden geht. Wohl uns indessen, daß wir nicht wissen, wenn wir sterben: denn wir würden dann nicht leben, nicht sterben -- beides ist gut. -- Doch, fuhr er fort, giebts einige, die's wissen, die auf die Stunde ihrer Erlösung mit Gewißheit rechnen können -- Nur heute -- -- hier schwieg er, und stützte
sich
Man gieng den Abend zeitig zur Tafel, weil alles die Karten verbeten hatte. — Zur Ehre der Herren v. X. Y. Z. muß ich noch anfuͤhren, daß ſie nach ihrem Ausſchlaf, um die edle Zeit auszukaufen, eine Stunde Wuͤr- fel geſpielt. —
Bei Tafel war alles auf den Ton des Herrn v. W. geſtimmt, der mit ſchwarzer Weſte, ſchwarzen Beinkleidern, und einem Flor um den linken Arm, bei der Mahlzeit erſchien. Man ſprach viel von den Schick- ſalen der Menſchen und von der Ungewißheit der Todesſtunde. Herr v. W. erzaͤhlte den Lebenslauf des Herr v. W., ſeines Herrn Grosvaters, dem heute aufs neue parentirt ward. Herr v. G. ſprach vom Tode, wie ein Gerechter, der in ſeinem Tode getroſt iſt. Die Vernunft, ſagt’ er, iſt ein Kuͤſſen; al- lein kein Kopfkuͤſſen. Die Einbildungskraft muß auch Beſchaͤftigung haben, wenns zum Scheiden geht. Wohl uns indeſſen, daß wir nicht wiſſen, wenn wir ſterben: denn wir wuͤrden dann nicht leben, nicht ſterben — beides iſt gut. — Doch, fuhr er fort, giebts einige, die’s wiſſen, die auf die Stunde ihrer Erloͤſung mit Gewißheit rechnen koͤnnen — Nur heute — — hier ſchwieg er, und ſtuͤtzte
ſich
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Man gieng den Abend zeitig zur Tafel,
weil alles die Karten verbeten hatte. — Zur
Ehre der Herren v. X. Y. Z. muß ich noch
anfuͤhren, daß ſie nach ihrem Ausſchlaf, um
die edle Zeit auszukaufen, eine Stunde Wuͤr-
fel geſpielt. —
Bei Tafel war alles auf den Ton des
Herrn v. W. geſtimmt, der mit ſchwarzer
Weſte, ſchwarzen Beinkleidern, und einem
Flor um den linken Arm, bei der Mahlzeit
erſchien. Man ſprach viel von den Schick-
ſalen der Menſchen und von der Ungewißheit
der Todesſtunde. Herr v. W. erzaͤhlte den
Lebenslauf des Herr v. W., ſeines Herrn
Grosvaters, dem heute aufs neue parentirt
ward. Herr v. G. ſprach vom Tode, wie
ein Gerechter, der in ſeinem Tode getroſt iſt.
Die Vernunft, ſagt’ er, iſt ein Kuͤſſen; al-
lein kein Kopfkuͤſſen. Die Einbildungskraft
muß auch Beſchaͤftigung haben, wenns zum
Scheiden geht. Wohl uns indeſſen, daß wir
nicht wiſſen, wenn wir ſterben: denn wir
wuͤrden dann nicht leben, nicht ſterben —
beides iſt gut. — Doch, fuhr er fort, giebts
einige, die’s wiſſen, die auf die Stunde ihrer
Erloͤſung mit Gewißheit rechnen koͤnnen —
Nur heute — — hier ſchwieg er, und ſtuͤtzte
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/21>, abgerufen am 23.11.2024.
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