und wer hat nicht wenigstens etwas, (mancher hat viel) so er vor seinem ver- trautesten Freunde, seinem Weibe, sei- nem Kinde, verbirgt?
(Der Herr v. G. lächelte, ich aber dacht' an das Land, wo man früher als in Curland Spar- gel ißt, den Wein bey der Quelle hat, und lange Manschetten trägt, ich dacht' an den Melchisedech und --)
Mit sich selbst kan man nur kurz spre- chen. Das vor sich muß noch kürzer im gemeinen Leben, als nach den Regeln auf dem Theater seyn. Eigentlich solt' es nur in Schreys, in Aufwallungen, in Silben, bestehen --
Herr v. G. Gott weiß alles, warum Zeit- verlust?
Pastor. Ist es Zeitverlust, sich mit Gott bekannt machen, mit ihm umgehen, mit ihm reden? --
Herr v. G. Ohne daß er antwortet?
Pastor. O! Er antwortet! Laut schallt es in der Seele! laut --
Herr v. G. Solch ein Hörer hört aber, was tausend andre nicht hören. Er ist mit dem Seher von einerley Art.
Pastor.
und wer hat nicht wenigſtens etwas, (mancher hat viel) ſo er vor ſeinem ver- trauteſten Freunde, ſeinem Weibe, ſei- nem Kinde, verbirgt?
(Der Herr v. G. laͤchelte, ich aber dacht’ an das Land, wo man fruͤher als in Curland Spar- gel ißt, den Wein bey der Quelle hat, und lange Manſchetten traͤgt, ich dacht’ an den Melchiſedech und —)
Mit ſich ſelbſt kan man nur kurz ſpre- chen. Das vor ſich muß noch kuͤrzer im gemeinen Leben, als nach den Regeln auf dem Theater ſeyn. Eigentlich ſolt’ es nur in Schreys, in Aufwallungen, in Silben, beſtehen —
Herr v. G. Gott weiß alles, warum Zeit- verluſt?
Paſtor. Iſt es Zeitverluſt, ſich mit Gott bekannt machen, mit ihm umgehen, mit ihm reden? —
Herr v. G. Ohne daß er antwortet?
Paſtor. O! Er antwortet! Laut ſchallt es in der Seele! laut —
Herr v. G. Solch ein Hoͤrer hoͤrt aber, was tauſend andre nicht hoͤren. Er iſt mit dem Seher von einerley Art.
Paſtor.
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und wer hat nicht wenigſtens etwas,
(mancher hat viel) ſo er vor ſeinem ver-
trauteſten Freunde, ſeinem Weibe, ſei-
nem Kinde, verbirgt?
(Der Herr v. G. laͤchelte, ich aber dacht’ an das
Land, wo man fruͤher als in Curland Spar-
gel ißt, den Wein bey der Quelle hat, und
lange Manſchetten traͤgt, ich dacht’ an den
Melchiſedech und —)
Mit ſich ſelbſt kan man nur kurz ſpre-
chen. Das vor ſich muß noch kuͤrzer
im gemeinen Leben, als nach den Regeln
auf dem Theater ſeyn. Eigentlich ſolt’
es nur in Schreys, in Aufwallungen,
in Silben, beſtehen —
Herr v. G. Gott weiß alles, warum Zeit-
verluſt?
Paſtor. Iſt es Zeitverluſt, ſich mit Gott
bekannt machen, mit ihm umgehen, mit
ihm reden? —
Herr v. G. Ohne daß er antwortet?
Paſtor. O! Er antwortet! Laut ſchallt es
in der Seele! laut —
Herr v. G. Solch ein Hoͤrer hoͤrt aber,
was tauſend andre nicht hoͤren. Er iſt
mit dem Seher von einerley Art.
Paſtor.
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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/147>, abgerufen am 27.11.2024.
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