meinem Vater, sie zog nur durch einen an- dern Weg in eben dasselbe Land. Regen der ihr kam, wenn sie die große Wäsche vor- hatte die mein Vater scherzweise Fegfeuer nanndte das war ihr Gottesschlag und im- mer wußte sie, mit welcher Sünde sie diesen Regen beim lieben Gott verschuldet hatte.
Ich entsinne mich als wär's heute daß sie meinetwegen einen Stock ergrif -- feierlich wie einen an einer Kreuzfahne, allein sie be- sann sich, wie Diogenes der einen armen Jungen mit der Hand Wasser schöpfen sah -- sie murmelte "wer das Schwerdt nimmt, wird durchs Schwerdt umkommen," und ich habe also nie unterm Gefreitenstock gestanden son- dern nach Prinzen Art, da doch Niemand ohne Schläge groß wird, blos Weiber Hän- den diesen Tribut bezahlt. Meine Mutter nanndte diese Zucht Licht und Recht und hatte eine sehr feine Distinction zwischen dem Stabe Sanft und dem Stabe Wehe! wo- mit meinen Lesern aber wenig gedient seyn kann.
Die Sprachen rechnete mein Vater zum Departement des Leibes und der Seelen. Man muß pflegte er zu sagen, nur Eine vollkommen besizen, das ist reden, schreiben
und
meinem Vater, ſie zog nur durch einen an- dern Weg in eben daſſelbe Land. Regen der ihr kam, wenn ſie die große Waͤſche vor- hatte die mein Vater ſcherzweiſe Fegfeuer nanndte das war ihr Gottesſchlag und im- mer wußte ſie, mit welcher Suͤnde ſie dieſen Regen beim lieben Gott verſchuldet hatte.
Ich entſinne mich als waͤr’s heute daß ſie meinetwegen einen Stock ergrif — feierlich wie einen an einer Kreuzfahne, allein ſie be- ſann ſich, wie Diogenes der einen armen Jungen mit der Hand Waſſer ſchoͤpfen ſah — ſie murmelte „wer das Schwerdt nimmt, wird durchs Schwerdt umkommen,„ und ich habe alſo nie unterm Gefreitenſtock geſtanden ſon- dern nach Prinzen Art, da doch Niemand ohne Schlaͤge groß wird, blos Weiber Haͤn- den dieſen Tribut bezahlt. Meine Mutter nanndte dieſe Zucht Licht und Recht und hatte eine ſehr feine Diſtinction zwiſchen dem Stabe Sanft und dem Stabe Wehe! wo- mit meinen Leſern aber wenig gedient ſeyn kann.
Die Sprachen rechnete mein Vater zum Departement des Leibes und der Seelen. Man muß pflegte er zu ſagen, nur Eine vollkommen beſizen, das iſt reden, ſchreiben
und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0074"n="66"/>
meinem Vater, ſie zog nur durch einen an-<lb/>
dern Weg in eben daſſelbe Land. Regen der<lb/>
ihr kam, wenn ſie die große Waͤſche vor-<lb/>
hatte die mein Vater ſcherzweiſe Fegfeuer<lb/>
nanndte das war ihr <hirendition="#fr">Gottesſchlag</hi> und im-<lb/>
mer wußte ſie, mit welcher Suͤnde ſie dieſen<lb/>
Regen beim lieben Gott verſchuldet hatte.</p><lb/><p>Ich entſinne mich als waͤr’s heute daß ſie<lb/>
meinetwegen einen Stock ergrif — feierlich<lb/>
wie einen an einer Kreuzfahne, allein ſie be-<lb/>ſann ſich, wie Diogenes der einen armen<lb/>
Jungen mit der Hand Waſſer ſchoͤpfen ſah —<lb/>ſie murmelte „wer das Schwerdt nimmt, wird<lb/>
durchs Schwerdt umkommen,„ und ich habe<lb/>
alſo nie unterm Gefreitenſtock geſtanden ſon-<lb/>
dern nach Prinzen Art, da doch Niemand<lb/>
ohne Schlaͤge groß wird, blos Weiber Haͤn-<lb/>
den dieſen Tribut bezahlt. Meine Mutter<lb/>
nanndte dieſe Zucht <hirendition="#fr">Licht</hi> und <hirendition="#fr">Recht</hi> und<lb/>
hatte eine ſehr feine Diſtinction zwiſchen dem<lb/>
Stabe <hirendition="#fr">Sanft</hi> und dem Stabe <hirendition="#fr">Wehe!</hi> wo-<lb/>
mit meinen Leſern aber wenig gedient ſeyn<lb/>
kann.</p><lb/><p>Die Sprachen rechnete mein Vater zum<lb/>
Departement des Leibes und der Seelen.<lb/>
Man muß pflegte er zu ſagen, nur Eine<lb/>
vollkommen beſizen, das iſt reden, ſchreiben<lb/><fwplace="bottom"type="catch">und</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[66/0074]
meinem Vater, ſie zog nur durch einen an-
dern Weg in eben daſſelbe Land. Regen der
ihr kam, wenn ſie die große Waͤſche vor-
hatte die mein Vater ſcherzweiſe Fegfeuer
nanndte das war ihr Gottesſchlag und im-
mer wußte ſie, mit welcher Suͤnde ſie dieſen
Regen beim lieben Gott verſchuldet hatte.
Ich entſinne mich als waͤr’s heute daß ſie
meinetwegen einen Stock ergrif — feierlich
wie einen an einer Kreuzfahne, allein ſie be-
ſann ſich, wie Diogenes der einen armen
Jungen mit der Hand Waſſer ſchoͤpfen ſah —
ſie murmelte „wer das Schwerdt nimmt, wird
durchs Schwerdt umkommen,„ und ich habe
alſo nie unterm Gefreitenſtock geſtanden ſon-
dern nach Prinzen Art, da doch Niemand
ohne Schlaͤge groß wird, blos Weiber Haͤn-
den dieſen Tribut bezahlt. Meine Mutter
nanndte dieſe Zucht Licht und Recht und
hatte eine ſehr feine Diſtinction zwiſchen dem
Stabe Sanft und dem Stabe Wehe! wo-
mit meinen Leſern aber wenig gedient ſeyn
kann.
Die Sprachen rechnete mein Vater zum
Departement des Leibes und der Seelen.
Man muß pflegte er zu ſagen, nur Eine
vollkommen beſizen, das iſt reden, ſchreiben
und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/74>, abgerufen am 14.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.