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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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stor! und ihre Ausübung, an einem roth-
behangenen unbesetzten Tisch. --
Pastor. Sie muß nüchtern verwaltet wer-
den. Wer am besetzten Tisch Recht spricht,
beugt das Recht. -- Viele Leute sind der
Meinung, man müße nüchtern schwören,
und halten es für Misbrauch des Namens
Gottes, wenn sie gefrühstückt haben. Ein
Richter muß aber keinen Wein trincken, wenn
er Recht spricht. Er sieht gleich alles an-
ders an. Mit der Gerechtigkeit ist es eine
besondere Sache. Ein einzig Gläschen macht
offt einen andern Menschen. Wer mitleidig
ist, weicht vom Wege ab und --
Herr v. W. Mit ihrer gütigen Erlaubnis,
ich glaube, daß es zu manchen Begebenhei-
ten auch besondre Gerichte gäbe. Unsre lie-
ben Alten sind uns darinn rühmlichst vorge-
gangen --
Hermann. Eben hiedurch wird das Eßen
schmackhaft. Vielleicht könnt man trostge-
bende, glückwünschende Gerichte erfinden. --
Herr v. W. Ich habe noch Niemand fri-
sche Milch mit saurem Gesicht eßen gesehen. --
Pastor. Die Natur hat zwar jedem
Eßen seine Jahreszeit angewiesen; alle aber
kommen am Ende darinn überein, daß wir
da-
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ſtor! und ihre Ausuͤbung, an einem roth-
behangenen unbeſetzten Tiſch. —
Paſtor. Sie muß nuͤchtern verwaltet wer-
den. Wer am beſetzten Tiſch Recht ſpricht,
beugt das Recht. — Viele Leute ſind der
Meinung, man muͤße nuͤchtern ſchwoͤren,
und halten es fuͤr Misbrauch des Namens
Gottes, wenn ſie gefruͤhſtuͤckt haben. Ein
Richter muß aber keinen Wein trincken, wenn
er Recht ſpricht. Er ſieht gleich alles an-
ders an. Mit der Gerechtigkeit iſt es eine
beſondere Sache. Ein einzig Glaͤschen macht
offt einen andern Menſchen. Wer mitleidig
iſt, weicht vom Wege ab und —
Herr v. W. Mit ihrer guͤtigen Erlaubnis,
ich glaube, daß es zu manchen Begebenhei-
ten auch beſondre Gerichte gaͤbe. Unſre lie-
ben Alten ſind uns darinn ruͤhmlichſt vorge-
gangen —
Hermann. Eben hiedurch wird das Eßen
ſchmackhaft. Vielleicht koͤnnt man troſtge-
bende, gluͤckwuͤnſchende Gerichte erfinden. —
Herr v. W. Ich habe noch Niemand fri-
ſche Milch mit ſaurem Geſicht eßen geſehen. —
Paſtor. Die Natur hat zwar jedem
Eßen ſeine Jahreszeit angewieſen; alle aber
kommen am Ende darinn uͤberein, daß wir
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[465/0479] ſtor! und ihre Ausuͤbung, an einem roth- behangenen unbeſetzten Tiſch. — Paſtor. Sie muß nuͤchtern verwaltet wer- den. Wer am beſetzten Tiſch Recht ſpricht, beugt das Recht. — Viele Leute ſind der Meinung, man muͤße nuͤchtern ſchwoͤren, und halten es fuͤr Misbrauch des Namens Gottes, wenn ſie gefruͤhſtuͤckt haben. Ein Richter muß aber keinen Wein trincken, wenn er Recht ſpricht. Er ſieht gleich alles an- ders an. Mit der Gerechtigkeit iſt es eine beſondere Sache. Ein einzig Glaͤschen macht offt einen andern Menſchen. Wer mitleidig iſt, weicht vom Wege ab und — Herr v. W. Mit ihrer guͤtigen Erlaubnis, ich glaube, daß es zu manchen Begebenhei- ten auch beſondre Gerichte gaͤbe. Unſre lie- ben Alten ſind uns darinn ruͤhmlichſt vorge- gangen — Hermann. Eben hiedurch wird das Eßen ſchmackhaft. Vielleicht koͤnnt man troſtge- bende, gluͤckwuͤnſchende Gerichte erfinden. — Herr v. W. Ich habe noch Niemand fri- ſche Milch mit ſaurem Geſicht eßen geſehen. — Paſtor. Die Natur hat zwar jedem Eßen ſeine Jahreszeit angewieſen; alle aber kommen am Ende darinn uͤberein, daß wir da- G g 2

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/479>, abgerufen am 18.06.2024.