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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Jahr besetzt -- Leckerbißen und feine Weine!
Das sieht man in keinem optischen Kasten,
was der Geitzhals alles sieht. Hier ist der
Hals übel gepaaret, der Geitzige müßte denn
am fremden Orte seyn, wo es ihm nichts
kostet. Geld solte das Mittel seyn, um zu
genießen; allein der Reiche hat gemeinhin
Mittel, um sich neue Mittel zu erwerben,
und am Ende Mittel über Mittel; allein
keinen Zweck -- Im Tod heißts: "Sohn
"du hast dein Gutes empfangen in deinem
"Leben" es thut nichts, ob in Prosa oder
im Gedicht, ob wircklich oder in Einbildung.
Das Geld bleibt zurück, und wenn man
ja an den seelgen Herrn denckt, so heißts
der Geck! so schönes Geld! und ein so
schlechter Keller! Mit dem Nachruhm des
Gelehrten ist's eine andre Sache. Ver-
stand trägt Zinsen bis an der Welt Ende.
Newton hat keine Kinder nöthig. Jeden
Gelehrten hat er über die Taufe gehalten,
ist's ein Jude, hat er ihn beschnitten. Jeder
seiner Schüler ist sein Sohn -- Ein Ge-
lehrter dieser Art hat das Glück, lauter wohl-
gerathene Kinder zu haben, es sind Seelen-
erben, die er mit Geist und Wahrheit nährt --
Er darf weder Gastwirth, noch Schwerdt-
feger,
Jahr beſetzt — Leckerbißen und feine Weine!
Das ſieht man in keinem optiſchen Kaſten,
was der Geitzhals alles ſieht. Hier iſt der
Hals uͤbel gepaaret, der Geitzige muͤßte denn
am fremden Orte ſeyn, wo es ihm nichts
koſtet. Geld ſolte das Mittel ſeyn, um zu
genießen; allein der Reiche hat gemeinhin
Mittel, um ſich neue Mittel zu erwerben,
und am Ende Mittel uͤber Mittel; allein
keinen Zweck — Im Tod heißts: „Sohn
„du haſt dein Gutes empfangen in deinem
„Leben„ es thut nichts, ob in Proſa oder
im Gedicht, ob wircklich oder in Einbildung.
Das Geld bleibt zuruͤck, und wenn man
ja an den ſeelgen Herrn denckt, ſo heißts
der Geck! ſo ſchoͤnes Geld! und ein ſo
ſchlechter Keller! Mit dem Nachruhm des
Gelehrten iſt’s eine andre Sache. Ver-
ſtand traͤgt Zinſen bis an der Welt Ende.
Newton hat keine Kinder noͤthig. Jeden
Gelehrten hat er uͤber die Taufe gehalten,
iſt’s ein Jude, hat er ihn beſchnitten. Jeder
ſeiner Schuͤler iſt ſein Sohn — Ein Ge-
lehrter dieſer Art hat das Gluͤck, lauter wohl-
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[380/0392] Jahr beſetzt — Leckerbißen und feine Weine! Das ſieht man in keinem optiſchen Kaſten, was der Geitzhals alles ſieht. Hier iſt der Hals uͤbel gepaaret, der Geitzige muͤßte denn am fremden Orte ſeyn, wo es ihm nichts koſtet. Geld ſolte das Mittel ſeyn, um zu genießen; allein der Reiche hat gemeinhin Mittel, um ſich neue Mittel zu erwerben, und am Ende Mittel uͤber Mittel; allein keinen Zweck — Im Tod heißts: „Sohn „du haſt dein Gutes empfangen in deinem „Leben„ es thut nichts, ob in Proſa oder im Gedicht, ob wircklich oder in Einbildung. Das Geld bleibt zuruͤck, und wenn man ja an den ſeelgen Herrn denckt, ſo heißts der Geck! ſo ſchoͤnes Geld! und ein ſo ſchlechter Keller! Mit dem Nachruhm des Gelehrten iſt’s eine andre Sache. Ver- ſtand traͤgt Zinſen bis an der Welt Ende. Newton hat keine Kinder noͤthig. Jeden Gelehrten hat er uͤber die Taufe gehalten, iſt’s ein Jude, hat er ihn beſchnitten. Jeder ſeiner Schuͤler iſt ſein Sohn — Ein Ge- lehrter dieſer Art hat das Gluͤck, lauter wohl- gerathene Kinder zu haben, es ſind Seelen- erben, die er mit Geiſt und Wahrheit naͤhrt — Er darf weder Gaſtwirth, noch Schwerdt- feger,

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/392>, abgerufen am 25.11.2024.