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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Siegelbewahrer der Natur, und Leibnitz, ein
Cammerherr unter ihnen. Ein Mann, der
allen allerley war, der erfinden konnte, ohne
Bleifeder und Schreibtafel in der Hand zu
haben, der, wie man vom Newton erzählt,
keinen Damen-Finger, so viel ich weiß, ver-
brandt hat -- --
Herr v. G. Kein Mensch weiß von dieser
Leute Kinder, und doch ist Nachruhm ent-
weder gar nichts, oder Erbgut. Wer keine
Kinder hat, thut thöricht, sich von fremden
Leuten nachrühmen zu laßen: "Er hatte
Verstand, er hatte Geld
"
Vater. Geld wirft keinen Nachruhm ab.
Es trägt nur Zinsen, so lang man lebt. Ein
Reicher ist, so lang er lebt, Souverain in die-
sem Jammerthale. Er kann sich alles kau-
fen, vielleicht gar ruhiges Gewißen und Ge-
sundheit. Ist er geitzig, und wo ist ein Rei-
cher, der es nicht wäre? wird er wenigstens
seltener kranck, wie ein andrer -- Kein
epischer Dichter hat solch eine Einbildungs-
kraft, wie er. Er genießt alles in der Einbil-
dung. Kein Wunder, daß er sich nie den
Magen verdirbt. Er sieht seinen Geldkasten
an, und da sieht er Wagen und Pferde, da
sieht er seinen Tisch mit allem Neuen vom
Jahr
Siegelbewahrer der Natur, und Leibnitz, ein
Cammerherr unter ihnen. Ein Mann, der
allen allerley war, der erfinden konnte, ohne
Bleifeder und Schreibtafel in der Hand zu
haben, der, wie man vom Newton erzaͤhlt,
keinen Damen-Finger, ſo viel ich weiß, ver-
brandt hat — —
Herr v. G. Kein Menſch weiß von dieſer
Leute Kinder, und doch iſt Nachruhm ent-
weder gar nichts, oder Erbgut. Wer keine
Kinder hat, thut thoͤricht, ſich von fremden
Leuten nachruͤhmen zu laßen: „Er hatte
Verſtand, er hatte Geld
Vater. Geld wirft keinen Nachruhm ab.
Es traͤgt nur Zinſen, ſo lang man lebt. Ein
Reicher iſt, ſo lang er lebt, Souverain in die-
ſem Jammerthale. Er kann ſich alles kau-
fen, vielleicht gar ruhiges Gewißen und Ge-
ſundheit. Iſt er geitzig, und wo iſt ein Rei-
cher, der es nicht waͤre? wird er wenigſtens
ſeltener kranck, wie ein andrer — Kein
epiſcher Dichter hat ſolch eine Einbildungs-
kraft, wie er. Er genießt alles in der Einbil-
dung. Kein Wunder, daß er ſich nie den
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[379/0391] Siegelbewahrer der Natur, und Leibnitz, ein Cammerherr unter ihnen. Ein Mann, der allen allerley war, der erfinden konnte, ohne Bleifeder und Schreibtafel in der Hand zu haben, der, wie man vom Newton erzaͤhlt, keinen Damen-Finger, ſo viel ich weiß, ver- brandt hat — — Herr v. G. Kein Menſch weiß von dieſer Leute Kinder, und doch iſt Nachruhm ent- weder gar nichts, oder Erbgut. Wer keine Kinder hat, thut thoͤricht, ſich von fremden Leuten nachruͤhmen zu laßen: „Er hatte Verſtand, er hatte Geld„ Vater. Geld wirft keinen Nachruhm ab. Es traͤgt nur Zinſen, ſo lang man lebt. Ein Reicher iſt, ſo lang er lebt, Souverain in die- ſem Jammerthale. Er kann ſich alles kau- fen, vielleicht gar ruhiges Gewißen und Ge- ſundheit. Iſt er geitzig, und wo iſt ein Rei- cher, der es nicht waͤre? wird er wenigſtens ſeltener kranck, wie ein andrer — Kein epiſcher Dichter hat ſolch eine Einbildungs- kraft, wie er. Er genießt alles in der Einbil- dung. Kein Wunder, daß er ſich nie den Magen verdirbt. Er ſieht ſeinen Geldkaſten an, und da ſieht er Wagen und Pferde, da ſieht er ſeinen Tiſch mit allem Neuen vom Jahr

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/391>, abgerufen am 17.06.2024.