Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

ster. Drenge dich nicht nach oben, oder zur
Rechten: allein verrichte auch nicht Lackeien-
dienste. Hüte dich, daß dein Fuß nicht
einschläft, wenn du beym Vornehmen sitzest,
und zerbrich keinen Teller, wenn du ihn
dem Nachbaren aufdringest. Höre mein
Kind auf eine Geschichte, die ich nicht er-
zählen kann, ohne daß Feuer in meinem
Gesichte auskommt. Ein Litteratus wolte
bey seinem Gönner um eine Stelle anklo-
pfen. Da der Herr verzog, glaubte der gute
Candidat, Zeit und Raum zu haben, seine
Strümpfe zu spannen, die nachgelassen hatten,
und siehe! eben nun kommt sein Gönner, und
erblickt das entblößte Knie, und das Strumpf-
band, das zum Unglück ein Bindfaden war,
in des Litteratus Rechten. Das Amt ging
vor ihm vorüber, als Wolcken vom Winde
getrieben, und der Gönner sprach, da er mit
seinen Freunden zu Tische saß: in der Ju-
gend eine Hure, im Alter eine Hexe. Aus
einem Funcken wird ein groß Feuer, und ein
Lügner und Mörder sind Nachbars Kinder.
Iß keine Rüben, wenn du zu Sr. Exellenz
gehest, und lege deinem Magen ein Gebiß
an den Mund, sonst sieht es aus, als ob du
zum Essen kömmst. Ein' alte West und neuer

Rock,
U 4

ſter. Drenge dich nicht nach oben, oder zur
Rechten: allein verrichte auch nicht Lackeien-
dienſte. Huͤte dich, daß dein Fuß nicht
einſchlaͤft, wenn du beym Vornehmen ſitzeſt,
und zerbrich keinen Teller, wenn du ihn
dem Nachbaren aufdringeſt. Hoͤre mein
Kind auf eine Geſchichte, die ich nicht er-
zaͤhlen kann, ohne daß Feuer in meinem
Geſichte auskommt. Ein Litteratus wolte
bey ſeinem Goͤnner um eine Stelle anklo-
pfen. Da der Herr verzog, glaubte der gute
Candidat, Zeit und Raum zu haben, ſeine
Struͤmpfe zu ſpannen, die nachgelaſſen hatten,
und ſiehe! eben nun kommt ſein Goͤnner, und
erblickt das entbloͤßte Knie, und das Strumpf-
band, das zum Ungluͤck ein Bindfaden war,
in des Litteratus Rechten. Das Amt ging
vor ihm voruͤber, als Wolcken vom Winde
getrieben, und der Goͤnner ſprach, da er mit
ſeinen Freunden zu Tiſche ſaß: in der Ju-
gend eine Hure, im Alter eine Hexe. Aus
einem Funcken wird ein groß Feuer, und ein
Luͤgner und Moͤrder ſind Nachbars Kinder.
Iß keine Ruͤben, wenn du zu Sr. Exellenz
geheſt, und lege deinem Magen ein Gebiß
an den Mund, ſonſt ſieht es aus, als ob du
zum Eſſen koͤmmſt. Ein’ alte Weſt und neuer

Rock,
U 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0321" n="309"/>
&#x017F;ter. Drenge dich nicht nach oben, oder zur<lb/>
Rechten: allein verrichte auch nicht Lackeien-<lb/>
dien&#x017F;te. Hu&#x0364;te dich, daß dein Fuß nicht<lb/>
ein&#x017F;chla&#x0364;ft, wenn du beym Vornehmen &#x017F;itze&#x017F;t,<lb/>
und zerbrich keinen Teller, wenn du ihn<lb/>
dem Nachbaren aufdringe&#x017F;t. Ho&#x0364;re mein<lb/>
Kind auf eine Ge&#x017F;chichte, die ich nicht er-<lb/>
za&#x0364;hlen kann, ohne daß Feuer in meinem<lb/>
Ge&#x017F;ichte auskommt. Ein Litteratus wolte<lb/>
bey &#x017F;einem Go&#x0364;nner um eine Stelle anklo-<lb/>
pfen. Da der Herr verzog, glaubte der gute<lb/>
Candidat, Zeit und Raum zu haben, &#x017F;eine<lb/>
Stru&#x0364;mpfe zu &#x017F;pannen, die nachgela&#x017F;&#x017F;en hatten,<lb/>
und &#x017F;iehe! eben nun kommt &#x017F;ein Go&#x0364;nner, und<lb/>
erblickt das entblo&#x0364;ßte Knie, und das Strumpf-<lb/>
band, das zum Unglu&#x0364;ck ein Bindfaden war,<lb/>
in des Litteratus Rechten. Das Amt ging<lb/>
vor ihm voru&#x0364;ber, als Wolcken vom Winde<lb/>
getrieben, und der Go&#x0364;nner &#x017F;prach, da er mit<lb/>
&#x017F;einen Freunden zu Ti&#x017F;che &#x017F;aß: in der Ju-<lb/>
gend eine Hure, im Alter eine Hexe. Aus<lb/>
einem Funcken wird ein groß Feuer, und ein<lb/>
Lu&#x0364;gner und Mo&#x0364;rder &#x017F;ind Nachbars Kinder.<lb/>
Iß keine Ru&#x0364;ben, wenn du zu Sr. Exellenz<lb/>
gehe&#x017F;t, und lege deinem Magen ein Gebiß<lb/>
an den Mund, &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;ieht es aus, als ob du<lb/>
zum E&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;mm&#x017F;t. Ein&#x2019; alte We&#x017F;t und neuer<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">U 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Rock,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[309/0321] ſter. Drenge dich nicht nach oben, oder zur Rechten: allein verrichte auch nicht Lackeien- dienſte. Huͤte dich, daß dein Fuß nicht einſchlaͤft, wenn du beym Vornehmen ſitzeſt, und zerbrich keinen Teller, wenn du ihn dem Nachbaren aufdringeſt. Hoͤre mein Kind auf eine Geſchichte, die ich nicht er- zaͤhlen kann, ohne daß Feuer in meinem Geſichte auskommt. Ein Litteratus wolte bey ſeinem Goͤnner um eine Stelle anklo- pfen. Da der Herr verzog, glaubte der gute Candidat, Zeit und Raum zu haben, ſeine Struͤmpfe zu ſpannen, die nachgelaſſen hatten, und ſiehe! eben nun kommt ſein Goͤnner, und erblickt das entbloͤßte Knie, und das Strumpf- band, das zum Ungluͤck ein Bindfaden war, in des Litteratus Rechten. Das Amt ging vor ihm voruͤber, als Wolcken vom Winde getrieben, und der Goͤnner ſprach, da er mit ſeinen Freunden zu Tiſche ſaß: in der Ju- gend eine Hure, im Alter eine Hexe. Aus einem Funcken wird ein groß Feuer, und ein Luͤgner und Moͤrder ſind Nachbars Kinder. Iß keine Ruͤben, wenn du zu Sr. Exellenz geheſt, und lege deinem Magen ein Gebiß an den Mund, ſonſt ſieht es aus, als ob du zum Eſſen koͤmmſt. Ein’ alte Weſt und neuer Rock, U 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/321
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/321>, abgerufen am 25.11.2024.