Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Schönheit die Jugend an. Jugend hat keine
Tugend, und gleich und gleich gesellt sich gern.
Das Werck lobet den Meister. Wie der Re-
gent ist, so sind auch seine Amtleute; wie der
Rath, so die Bürger. Ein wüster König
verdirbt Land und Leute, wenn aber die Ge-
waltigen klug sind, gedeihet die Stadt. So
wie unser Herr und Meister mit Zöllnern
und Sündergesellen zu Tische saß, vermeide es
auch nicht, mit Großen der Erde umzugehen.
Ziele nach diesen Leuten; sonst trift man sie
nicht, und fleißige dich, den rechten Fleck zu
treffen. Bücke dich, allein zerbrich nicht das
Bein, sey höflich, allein nicht beschwerlich.
Wende dich an die Frau, wenn du an den
Mann ein Gesuch hast. Krieche nicht; denn
du hast gesunde Füße. Bete nicht an gül-
dene Kälber der Erde.

Du bist ja ein Hauch aus Gott,
und aus seinem Geist gebohren;
darum liege nicht im Koth,
bist du nicht zum Reich erkohren?

Sprichst du mit einem König, dencke, du
bist ein geistlicher König, sprichst du mit
einem großen Gelehrten, du bist ein geist-
licher Prophet, und mit dem Superintenden-
ten in Curland; du bist ein geistlicher Prie-

ster

Schoͤnheit die Jugend an. Jugend hat keine
Tugend, und gleich und gleich geſellt ſich gern.
Das Werck lobet den Meiſter. Wie der Re-
gent iſt, ſo ſind auch ſeine Amtleute; wie der
Rath, ſo die Buͤrger. Ein wuͤſter Koͤnig
verdirbt Land und Leute, wenn aber die Ge-
waltigen klug ſind, gedeihet die Stadt. So
wie unſer Herr und Meiſter mit Zoͤllnern
und Suͤndergeſellen zu Tiſche ſaß, vermeide es
auch nicht, mit Großen der Erde umzugehen.
Ziele nach dieſen Leuten; ſonſt trift man ſie
nicht, und fleißige dich, den rechten Fleck zu
treffen. Buͤcke dich, allein zerbrich nicht das
Bein, ſey hoͤflich, allein nicht beſchwerlich.
Wende dich an die Frau, wenn du an den
Mann ein Geſuch haſt. Krieche nicht; denn
du haſt geſunde Fuͤße. Bete nicht an guͤl-
dene Kaͤlber der Erde.

Du biſt ja ein Hauch aus Gott,
und aus ſeinem Geiſt gebohren;
darum liege nicht im Koth,
biſt du nicht zum Reich erkohren?

Sprichſt du mit einem Koͤnig, dencke, du
biſt ein geiſtlicher Koͤnig, ſprichſt du mit
einem großen Gelehrten, du biſt ein geiſt-
licher Prophet, und mit dem Superintenden-
ten in Curland; du biſt ein geiſtlicher Prie-

ſter
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0320" n="308"/>
Scho&#x0364;nheit die Jugend an. Jugend hat keine<lb/>
Tugend, und gleich und gleich ge&#x017F;ellt &#x017F;ich gern.<lb/>
Das Werck lobet den Mei&#x017F;ter. Wie der Re-<lb/>
gent i&#x017F;t, &#x017F;o &#x017F;ind auch &#x017F;eine Amtleute; wie der<lb/>
Rath, &#x017F;o die Bu&#x0364;rger. Ein wu&#x0364;&#x017F;ter Ko&#x0364;nig<lb/>
verdirbt Land und Leute, wenn aber die Ge-<lb/>
waltigen klug &#x017F;ind, gedeihet die Stadt. So<lb/>
wie un&#x017F;er Herr und Mei&#x017F;ter mit Zo&#x0364;llnern<lb/>
und Su&#x0364;nderge&#x017F;ellen zu Ti&#x017F;che &#x017F;aß, vermeide es<lb/>
auch nicht, mit Großen der Erde umzugehen.<lb/>
Ziele nach die&#x017F;en Leuten; &#x017F;on&#x017F;t trift man &#x017F;ie<lb/>
nicht, und fleißige dich, den rechten Fleck zu<lb/>
treffen. Bu&#x0364;cke dich, allein zerbrich nicht das<lb/>
Bein, &#x017F;ey ho&#x0364;flich, allein nicht be&#x017F;chwerlich.<lb/>
Wende dich an die Frau, wenn du an den<lb/>
Mann ein Ge&#x017F;uch ha&#x017F;t. Krieche nicht; denn<lb/>
du ha&#x017F;t ge&#x017F;unde Fu&#x0364;ße. Bete nicht an gu&#x0364;l-<lb/>
dene Ka&#x0364;lber der Erde.</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Du bi&#x017F;t ja ein Hauch aus Gott,</l><lb/>
          <l>und aus &#x017F;einem Gei&#x017F;t gebohren;</l><lb/>
          <l>darum liege nicht im Koth,</l><lb/>
          <l>bi&#x017F;t du nicht zum Reich erkohren?</l>
        </lg><lb/>
        <p>Sprich&#x017F;t du mit einem Ko&#x0364;nig, dencke, du<lb/>
bi&#x017F;t ein gei&#x017F;tlicher Ko&#x0364;nig, &#x017F;prich&#x017F;t du mit<lb/>
einem großen Gelehrten, du bi&#x017F;t ein gei&#x017F;t-<lb/>
licher Prophet, und mit dem Superintenden-<lb/>
ten in Curland; du bi&#x017F;t ein gei&#x017F;tlicher Prie-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ter</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[308/0320] Schoͤnheit die Jugend an. Jugend hat keine Tugend, und gleich und gleich geſellt ſich gern. Das Werck lobet den Meiſter. Wie der Re- gent iſt, ſo ſind auch ſeine Amtleute; wie der Rath, ſo die Buͤrger. Ein wuͤſter Koͤnig verdirbt Land und Leute, wenn aber die Ge- waltigen klug ſind, gedeihet die Stadt. So wie unſer Herr und Meiſter mit Zoͤllnern und Suͤndergeſellen zu Tiſche ſaß, vermeide es auch nicht, mit Großen der Erde umzugehen. Ziele nach dieſen Leuten; ſonſt trift man ſie nicht, und fleißige dich, den rechten Fleck zu treffen. Buͤcke dich, allein zerbrich nicht das Bein, ſey hoͤflich, allein nicht beſchwerlich. Wende dich an die Frau, wenn du an den Mann ein Geſuch haſt. Krieche nicht; denn du haſt geſunde Fuͤße. Bete nicht an guͤl- dene Kaͤlber der Erde. Du biſt ja ein Hauch aus Gott, und aus ſeinem Geiſt gebohren; darum liege nicht im Koth, biſt du nicht zum Reich erkohren? Sprichſt du mit einem Koͤnig, dencke, du biſt ein geiſtlicher Koͤnig, ſprichſt du mit einem großen Gelehrten, du biſt ein geiſt- licher Prophet, und mit dem Superintenden- ten in Curland; du biſt ein geiſtlicher Prie- ſter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/320
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/320>, abgerufen am 16.06.2024.