"ehrwürdigen -- ihr Herr Grosvater war "der Weiland Wohlehrwürdige -- so viel "Weilands Wohlehrwürden ohn End und "Ziel" Bey deinem lieben Vater ist ehrliche Geburt und all Wohlehrwürden in die Rap- puse gegeben. Gott gebe, daß dieser Gedancke ihm sein Sterblager nicht schwer mache.
Es war im Jahr nach Christi Geburt 17 -- den -- da er zu deinem lieben seeligen Grosvater gegen Abend um sieben Uhr ankam. Es schlug eben unsre Stuben- uhr, die so katerhaft brumte, eh sie eins, zwey, drey, vier, fünf, sechs, sieben, heraus- würgte, daß ich kein Wort von den Erstlingen deines Vaters zu vernehmen im Stande war. Er schien mir mehr mit dem Rücken als mit dem Munde zu sprechen -- Es war der kälteste Winter, den ich erlebt habe. Ich seh noch, wie dein Vater that, als wäsch er sich die Hände. Drey Aepfelbäume rührte der Frost in unserm Gärtchen, und auch den letzten Zahn, wie es deine Grosmutter nand- te, oder den letzten Pflaumenbaum. Dein seeliger Großvater pflegt' im Scherz zu sa- gen, so viel wäre wol außer Zweifel, daß das Paradies nicht in Curland gestanden hätte. Im Scherz sag' ich, denn er war sonst,
wie
R 2
„ehrwuͤrdigen — ihr Herr Grosvater war „der Weiland Wohlehrwuͤrdige — ſo viel „Weilands Wohlehrwuͤrden ohn End und „Ziel„ Bey deinem lieben Vater iſt ehrliche Geburt und all Wohlehrwuͤrden in die Rap- puſe gegeben. Gott gebe, daß dieſer Gedancke ihm ſein Sterblager nicht ſchwer mache.
Es war im Jahr nach Chriſti Geburt 17 — den — da er zu deinem lieben ſeeligen Grosvater gegen Abend um ſieben Uhr ankam. Es ſchlug eben unſre Stuben- uhr, die ſo katerhaft brumte, eh ſie eins, zwey, drey, vier, fuͤnf, ſechs, ſieben, heraus- wuͤrgte, daß ich kein Wort von den Erſtlingen deines Vaters zu vernehmen im Stande war. Er ſchien mir mehr mit dem Ruͤcken als mit dem Munde zu ſprechen — Es war der kaͤlteſte Winter, den ich erlebt habe. Ich ſeh noch, wie dein Vater that, als waͤſch er ſich die Haͤnde. Drey Aepfelbaͤume ruͤhrte der Froſt in unſerm Gaͤrtchen, und auch den letzten Zahn, wie es deine Grosmutter nand- te, oder den letzten Pflaumenbaum. Dein ſeeliger Großvater pflegt’ im Scherz zu ſa- gen, ſo viel waͤre wol außer Zweifel, daß das Paradies nicht in Curland geſtanden haͤtte. Im Scherz ſag’ ich, denn er war ſonſt,
wie
R 2
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0269"n="257"/>„ehrwuͤrdigen — ihr Herr Grosvater war<lb/>„der Weiland Wohlehrwuͤrdige —ſo viel<lb/>„Weilands Wohlehrwuͤrden ohn End und<lb/>„Ziel„ Bey deinem lieben Vater iſt ehrliche<lb/>
Geburt und all Wohlehrwuͤrden in die Rap-<lb/>
puſe gegeben. Gott gebe, daß dieſer Gedancke<lb/>
ihm ſein Sterblager nicht ſchwer mache.</p><lb/><p>Es war im Jahr nach Chriſti Geburt<lb/>
17 — den — da er zu deinem lieben<lb/>ſeeligen Grosvater gegen Abend um ſieben<lb/>
Uhr ankam. Es ſchlug eben unſre Stuben-<lb/>
uhr, die ſo katerhaft brumte, eh ſie eins,<lb/>
zwey, drey, vier, fuͤnf, ſechs, ſieben, heraus-<lb/>
wuͤrgte, daß ich kein Wort von den Erſtlingen<lb/>
deines Vaters zu vernehmen im Stande war.<lb/>
Er ſchien mir mehr mit dem Ruͤcken als mit<lb/>
dem Munde zu ſprechen — Es war der<lb/>
kaͤlteſte Winter, den ich erlebt habe. Ich<lb/>ſeh noch, wie dein Vater that, als waͤſch er<lb/>ſich die Haͤnde. Drey Aepfelbaͤume ruͤhrte<lb/>
der Froſt in unſerm Gaͤrtchen, und auch den<lb/>
letzten Zahn, wie es deine Grosmutter nand-<lb/>
te, oder den letzten Pflaumenbaum. Dein<lb/>ſeeliger Großvater pflegt’ im Scherz zu ſa-<lb/>
gen, ſo viel waͤre wol außer Zweifel, daß<lb/>
das Paradies nicht in Curland geſtanden<lb/>
haͤtte. Im Scherz ſag’ ich, denn er war ſonſt,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">R 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">wie</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[257/0269]
„ehrwuͤrdigen — ihr Herr Grosvater war
„der Weiland Wohlehrwuͤrdige — ſo viel
„Weilands Wohlehrwuͤrden ohn End und
„Ziel„ Bey deinem lieben Vater iſt ehrliche
Geburt und all Wohlehrwuͤrden in die Rap-
puſe gegeben. Gott gebe, daß dieſer Gedancke
ihm ſein Sterblager nicht ſchwer mache.
Es war im Jahr nach Chriſti Geburt
17 — den — da er zu deinem lieben
ſeeligen Grosvater gegen Abend um ſieben
Uhr ankam. Es ſchlug eben unſre Stuben-
uhr, die ſo katerhaft brumte, eh ſie eins,
zwey, drey, vier, fuͤnf, ſechs, ſieben, heraus-
wuͤrgte, daß ich kein Wort von den Erſtlingen
deines Vaters zu vernehmen im Stande war.
Er ſchien mir mehr mit dem Ruͤcken als mit
dem Munde zu ſprechen — Es war der
kaͤlteſte Winter, den ich erlebt habe. Ich
ſeh noch, wie dein Vater that, als waͤſch er
ſich die Haͤnde. Drey Aepfelbaͤume ruͤhrte
der Froſt in unſerm Gaͤrtchen, und auch den
letzten Zahn, wie es deine Grosmutter nand-
te, oder den letzten Pflaumenbaum. Dein
ſeeliger Großvater pflegt’ im Scherz zu ſa-
gen, ſo viel waͤre wol außer Zweifel, daß
das Paradies nicht in Curland geſtanden
haͤtte. Im Scherz ſag’ ich, denn er war ſonſt,
wie
R 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/269>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.