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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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zu gewißen Fragen an meinen Vater, und
wie hätt' ich einen Mann foltern, oder wie
meine Mutter sprach, stöcken sollen, der so
väterlich war, mir wegen Minchen keine
Frage ans Hertz zu legen? Sie mußt' also
durch einen andern Weg in ihr Land. Ueber
deinen Vater sagte sie, hab ich tausend und
abermal tausend Thränen vergossen. Sel-
ten wird ein Frauenzimmer das Wort Thrä-
nen trocken aussprechen, und ohn es anschau-
end zu machen, was Thränen sind.

Ich weiß zwar nicht, wo er her ist, und
wer seine Eltern gewesen, bald hätt' ich liebe
Eltern
gesagt; Gott weiß aber, ob sie's ver-
dient hätten und obs nicht unschlachtig Volk
gewesen -- Ich vermuthe, daß sie ihm eben
keine Ehre machen können, denn sonst wüß-
te ich nicht, warum er so zurückhaltend über
diesen Punckt zu seyn Ursach hätte. Hier
fing sie so bitterlich an zu zeigen, was Thrä-
nen sind, daß ich sie herzlich tröstete. Sie
jammerte mich von ganzer Seele.

Was ich weiß, will ich dir sagen; wolte
Gott, daß es ohne die größte Bewegung
meines Herzens geschehen könnte.

Ich verbat ihre Erzählung, da ich sahe,
wie sehr es sie angrif.


Nein
R

zu gewißen Fragen an meinen Vater, und
wie haͤtt’ ich einen Mann foltern, oder wie
meine Mutter ſprach, ſtoͤcken ſollen, der ſo
vaͤterlich war, mir wegen Minchen keine
Frage ans Hertz zu legen? Sie mußt’ alſo
durch einen andern Weg in ihr Land. Ueber
deinen Vater ſagte ſie, hab ich tauſend und
abermal tauſend Thraͤnen vergoſſen. Sel-
ten wird ein Frauenzimmer das Wort Thraͤ-
nen trocken ausſprechen, und ohn es anſchau-
end zu machen, was Thraͤnen ſind.

Ich weiß zwar nicht, wo er her iſt, und
wer ſeine Eltern geweſen, bald haͤtt’ ich liebe
Eltern
geſagt; Gott weiß aber, ob ſie’s ver-
dient haͤtten und obs nicht unſchlachtig Volk
geweſen — Ich vermuthe, daß ſie ihm eben
keine Ehre machen koͤnnen, denn ſonſt wuͤß-
te ich nicht, warum er ſo zuruͤckhaltend uͤber
dieſen Punckt zu ſeyn Urſach haͤtte. Hier
fing ſie ſo bitterlich an zu zeigen, was Thraͤ-
nen ſind, daß ich ſie herzlich troͤſtete. Sie
jammerte mich von ganzer Seele.

Was ich weiß, will ich dir ſagen; wolte
Gott, daß es ohne die groͤßte Bewegung
meines Herzens geſchehen koͤnnte.

Ich verbat ihre Erzaͤhlung, da ich ſahe,
wie ſehr es ſie angrif.


Nein
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[255/0267] zu gewißen Fragen an meinen Vater, und wie haͤtt’ ich einen Mann foltern, oder wie meine Mutter ſprach, ſtoͤcken ſollen, der ſo vaͤterlich war, mir wegen Minchen keine Frage ans Hertz zu legen? Sie mußt’ alſo durch einen andern Weg in ihr Land. Ueber deinen Vater ſagte ſie, hab ich tauſend und abermal tauſend Thraͤnen vergoſſen. Sel- ten wird ein Frauenzimmer das Wort Thraͤ- nen trocken ausſprechen, und ohn es anſchau- end zu machen, was Thraͤnen ſind. Ich weiß zwar nicht, wo er her iſt, und wer ſeine Eltern geweſen, bald haͤtt’ ich liebe Eltern geſagt; Gott weiß aber, ob ſie’s ver- dient haͤtten und obs nicht unſchlachtig Volk geweſen — Ich vermuthe, daß ſie ihm eben keine Ehre machen koͤnnen, denn ſonſt wuͤß- te ich nicht, warum er ſo zuruͤckhaltend uͤber dieſen Punckt zu ſeyn Urſach haͤtte. Hier fing ſie ſo bitterlich an zu zeigen, was Thraͤ- nen ſind, daß ich ſie herzlich troͤſtete. Sie jammerte mich von ganzer Seele. Was ich weiß, will ich dir ſagen; wolte Gott, daß es ohne die groͤßte Bewegung meines Herzens geſchehen koͤnnte. Ich verbat ihre Erzaͤhlung, da ich ſahe, wie ſehr es ſie angrif. Nein R

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/267>, abgerufen am 18.06.2024.