Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht lieben solte, den ich sehe. Ich liebe Gott
in dir. Es ist unaussprechlich wie ich dich
liebe. Du bist Gottesbote an mich. Gott
gab mir dich. Meine Seel ist dein und unsre
beide Seelen sind Gottes. Heut sehn wir
uns; allein nicht ganz, wir sprechen uns allein
schwerlich drey Viertheil. Du müßt' es
denn machen wie neulich. Deine Mutter
braucht aber nicht alle Tage Pfefferkraut.
Was ist doch die Liebe für eine Lehrerin?
Wir sonderten uns vor aller Leute Augen ab,
die mit uns giengen, und kein Mensch dacht'
Arges in seinem Herzen. Es fehlte nicht
viel, deine Mutter selbst hätte drum gebeten,
und das beste war, wir fanden gleich so viel
Kraut daß wir Zeit genug hatten uns viel!
viel! zu sagen. Findst du aber, daß es we-
niger wird, was noch rückständig ist, und
was wir uns noch zu sagen haben? ich
nicht -- Wir zahlen nicht einmal alle Zin-
sen ab; diese werden noch Capital. Wenn
wird uns Gott in Stand setzen, Capital und
Zinsen richtig zu machen. Wenn du Pastor
bist und ich, Pastorinn. Dein Weib bin ich
lang. Gott und alle seine heilige Engel wa-
ren auf unsrer Hochzeit, und die sind ständig
beinah sichtbar um uns, wenn wir allein sind.

Es
P 5

nicht lieben ſolte, den ich ſehe. Ich liebe Gott
in dir. Es iſt unausſprechlich wie ich dich
liebe. Du biſt Gottesbote an mich. Gott
gab mir dich. Meine Seel iſt dein und unſre
beide Seelen ſind Gottes. Heut ſehn wir
uns; allein nicht ganz, wir ſprechen uns allein
ſchwerlich drey Viertheil. Du muͤßt’ es
denn machen wie neulich. Deine Mutter
braucht aber nicht alle Tage Pfefferkraut.
Was iſt doch die Liebe fuͤr eine Lehrerin?
Wir ſonderten uns vor aller Leute Augen ab,
die mit uns giengen, und kein Menſch dacht’
Arges in ſeinem Herzen. Es fehlte nicht
viel, deine Mutter ſelbſt haͤtte drum gebeten,
und das beſte war, wir fanden gleich ſo viel
Kraut daß wir Zeit genug hatten uns viel!
viel! zu ſagen. Findſt du aber, daß es we-
niger wird, was noch ruͤckſtaͤndig iſt, und
was wir uns noch zu ſagen haben? ich
nicht — Wir zahlen nicht einmal alle Zin-
ſen ab; dieſe werden noch Capital. Wenn
wird uns Gott in Stand ſetzen, Capital und
Zinſen richtig zu machen. Wenn du Paſtor
biſt und ich, Paſtorinn. Dein Weib bin ich
lang. Gott und alle ſeine heilige Engel wa-
ren auf unſrer Hochzeit, und die ſind ſtaͤndig
beinah ſichtbar um uns, wenn wir allein ſind.

Es
P 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0243" n="231"/>
nicht lieben &#x017F;olte, den ich &#x017F;ehe. Ich liebe Gott<lb/>
in dir. Es i&#x017F;t unaus&#x017F;prechlich wie ich dich<lb/>
liebe. Du bi&#x017F;t Gottesbote an mich. Gott<lb/>
gab mir dich. Meine Seel i&#x017F;t dein und un&#x017F;re<lb/>
beide Seelen &#x017F;ind Gottes. Heut &#x017F;ehn wir<lb/>
uns; allein nicht <hi rendition="#fr">ganz,</hi> wir &#x017F;prechen uns allein<lb/>
&#x017F;chwerlich drey Viertheil. Du mu&#x0364;ßt&#x2019; es<lb/>
denn machen wie neulich. Deine Mutter<lb/>
braucht aber nicht alle Tage Pfefferkraut.<lb/>
Was i&#x017F;t doch die Liebe fu&#x0364;r eine Lehrerin?<lb/>
Wir &#x017F;onderten uns vor aller Leute Augen ab,<lb/>
die mit uns giengen, und kein Men&#x017F;ch dacht&#x2019;<lb/>
Arges in &#x017F;einem Herzen. Es fehlte nicht<lb/>
viel, deine Mutter &#x017F;elb&#x017F;t ha&#x0364;tte drum gebeten,<lb/>
und das be&#x017F;te war, wir fanden gleich &#x017F;o viel<lb/>
Kraut daß wir Zeit genug hatten uns viel!<lb/>
viel! zu &#x017F;agen. Find&#x017F;t du aber, daß es we-<lb/>
niger wird, was noch ru&#x0364;ck&#x017F;ta&#x0364;ndig i&#x017F;t, und<lb/>
was wir uns noch zu &#x017F;agen haben? ich<lb/>
nicht &#x2014; Wir zahlen nicht einmal alle Zin-<lb/>
&#x017F;en ab; die&#x017F;e werden noch Capital. Wenn<lb/>
wird uns Gott in Stand &#x017F;etzen, Capital und<lb/>
Zin&#x017F;en richtig zu machen. Wenn du Pa&#x017F;tor<lb/>
bi&#x017F;t und ich, Pa&#x017F;torinn. Dein Weib bin ich<lb/>
lang. Gott und alle &#x017F;eine heilige Engel wa-<lb/>
ren auf un&#x017F;rer Hochzeit, und die &#x017F;ind &#x017F;ta&#x0364;ndig<lb/>
beinah &#x017F;ichtbar um uns, wenn wir allein &#x017F;ind.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[231/0243] nicht lieben ſolte, den ich ſehe. Ich liebe Gott in dir. Es iſt unausſprechlich wie ich dich liebe. Du biſt Gottesbote an mich. Gott gab mir dich. Meine Seel iſt dein und unſre beide Seelen ſind Gottes. Heut ſehn wir uns; allein nicht ganz, wir ſprechen uns allein ſchwerlich drey Viertheil. Du muͤßt’ es denn machen wie neulich. Deine Mutter braucht aber nicht alle Tage Pfefferkraut. Was iſt doch die Liebe fuͤr eine Lehrerin? Wir ſonderten uns vor aller Leute Augen ab, die mit uns giengen, und kein Menſch dacht’ Arges in ſeinem Herzen. Es fehlte nicht viel, deine Mutter ſelbſt haͤtte drum gebeten, und das beſte war, wir fanden gleich ſo viel Kraut daß wir Zeit genug hatten uns viel! viel! zu ſagen. Findſt du aber, daß es we- niger wird, was noch ruͤckſtaͤndig iſt, und was wir uns noch zu ſagen haben? ich nicht — Wir zahlen nicht einmal alle Zin- ſen ab; dieſe werden noch Capital. Wenn wird uns Gott in Stand ſetzen, Capital und Zinſen richtig zu machen. Wenn du Paſtor biſt und ich, Paſtorinn. Dein Weib bin ich lang. Gott und alle ſeine heilige Engel wa- ren auf unſrer Hochzeit, und die ſind ſtaͤndig beinah ſichtbar um uns, wenn wir allein ſind. Es P 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/243
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/243>, abgerufen am 22.11.2024.