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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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all, alles bis du. Ich lese deinen Brief und
schreib an dich beinah alles zusammen -- Was
kann aber die Liebe nicht! du schiltst, daß ich
durch Nähen und Stricken mir den Finger
wund gemacht. Soll ich denn die Händ in
Schooß legen? da würd' eine Närrin aus
mir werden, obgleich ich jetzo dein Weib bin --
Was klügeres kann kein Mädchen in der gan-
tzen weit und breiten Welt seyn, als dein
Weib. Der Finger ist auch wohl behalten
und heil, und sieht aus wie -- neu hätt ich
bald geschrieben -- wie zuvor. Er hat kei-
nen schwarzen Band mehr: Die Trauer ist
schon gestern abgelegt. Was wilst du
mehr? -- Fast wünscht' ich du möcht'st noch
mehr wollen, damit du schelten könntest.
Schilt doch lieber herzlicher Junge, schilt doch
was rechts auf -- Die Musik war bei der
Fingertrauer nicht verboten. Soll ich meine
Doris missen,
kann ich dir so herzbrechend sin-
gen und spielen, du solsts hören. Mein Va-
ter wunderte sich über den schnellen Gang in
der Musik. Der gute Mann weiß nicht, daß
ich eigentlich in der Schule der Liebe bin, und
von ihr Clavier spielen lerne -- Gott im
Himmel und dich in der Welt! Wie kann ich
Gott lieben, den ich nicht sehe, wenn ich dich

nicht

all, alles bis du. Ich leſe deinen Brief und
ſchreib an dich beinah alles zuſammen — Was
kann aber die Liebe nicht! du ſchiltſt, daß ich
durch Naͤhen und Stricken mir den Finger
wund gemacht. Soll ich denn die Haͤnd in
Schooß legen? da wuͤrd’ eine Naͤrrin aus
mir werden, obgleich ich jetzo dein Weib bin —
Was kluͤgeres kann kein Maͤdchen in der gan-
tzen weit und breiten Welt ſeyn, als dein
Weib. Der Finger iſt auch wohl behalten
und heil, und ſieht aus wie — neu haͤtt ich
bald geſchrieben — wie zuvor. Er hat kei-
nen ſchwarzen Band mehr: Die Trauer iſt
ſchon geſtern abgelegt. Was wilſt du
mehr? — Faſt wuͤnſcht’ ich du moͤcht’ſt noch
mehr wollen, damit du ſchelten koͤnnteſt.
Schilt doch lieber herzlicher Junge, ſchilt doch
was rechts auf — Die Muſik war bei der
Fingertrauer nicht verboten. Soll ich meine
Doris miſſen,
kann ich dir ſo herzbrechend ſin-
gen und ſpielen, du ſolſts hoͤren. Mein Va-
ter wunderte ſich uͤber den ſchnellen Gang in
der Muſik. Der gute Mann weiß nicht, daß
ich eigentlich in der Schule der Liebe bin, und
von ihr Clavier ſpielen lerne — Gott im
Himmel und dich in der Welt! Wie kann ich
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[230/0242] all, alles bis du. Ich leſe deinen Brief und ſchreib an dich beinah alles zuſammen — Was kann aber die Liebe nicht! du ſchiltſt, daß ich durch Naͤhen und Stricken mir den Finger wund gemacht. Soll ich denn die Haͤnd in Schooß legen? da wuͤrd’ eine Naͤrrin aus mir werden, obgleich ich jetzo dein Weib bin — Was kluͤgeres kann kein Maͤdchen in der gan- tzen weit und breiten Welt ſeyn, als dein Weib. Der Finger iſt auch wohl behalten und heil, und ſieht aus wie — neu haͤtt ich bald geſchrieben — wie zuvor. Er hat kei- nen ſchwarzen Band mehr: Die Trauer iſt ſchon geſtern abgelegt. Was wilſt du mehr? — Faſt wuͤnſcht’ ich du moͤcht’ſt noch mehr wollen, damit du ſchelten koͤnnteſt. Schilt doch lieber herzlicher Junge, ſchilt doch was rechts auf — Die Muſik war bei der Fingertrauer nicht verboten. Soll ich meine Doris miſſen, kann ich dir ſo herzbrechend ſin- gen und ſpielen, du ſolſts hoͤren. Mein Va- ter wunderte ſich uͤber den ſchnellen Gang in der Muſik. Der gute Mann weiß nicht, daß ich eigentlich in der Schule der Liebe bin, und von ihr Clavier ſpielen lerne — Gott im Himmel und dich in der Welt! Wie kann ich Gott lieben, den ich nicht ſehe, wenn ich dich nicht

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/242>, abgerufen am 22.11.2024.