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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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Nein, Adam.

So ist's gut; ich habe mit dir zu reden. Du bist
ein gutes Weib, Marion, und thust deine Pflicht.
Aber ich muß dir sagen, ich halt's doch nicht aus
mit dir.

Die schönen Wangen der Frau wurden todten¬
blaß. Aber sie schwieg und sah still vor sich hin.

Nein, fuhr Adam fort, ich halt' es nicht aus.
Du bist bildschön, Marion, und das weiß ich jetzt,
vier Wochen nach der Hochzeit, besser, als da ich um
dich freite. Aber -- du bist langweilig, Marion. Ich
will nicht sagen, daß du keinen Verstand hast. Aber
die heilige Jungfrau mag wissen, ob er schläft oder
in guter Hoffnung irgend eines großen Gedankens
ist, und wann der zur Welt kommt. Ich habe dar¬
auf warten wollen; nun reißt mir die Geduld. Hast
du die ganze Zeit, daß wir Mann und Frau sind,
einmal so recht geplaudert oder einen Witz gemacht,
oder haben meine Possen mehr Gnade vor dir ge¬
funden, als ein halbes Lächeln? Bist du nicht still
deiner Wege gegangen wie ein wandelndes Steinbild?
Was hilft mir's, daß ich dann und wann die Er¬
fahrung mache, du seiest dennoch von Fleisch und
Blut, wenn ich vom Morgen bis Abend meine Späße
allein belachen muß und meine Verse allein schön fin¬
den? Ich Narr! Ich hätt's freilich früher bedenken
sollen -- damals, als ich mich in dich verliebte. --

Nein, Adam.

So iſt's gut; ich habe mit dir zu reden. Du biſt
ein gutes Weib, Marion, und thuſt deine Pflicht.
Aber ich muß dir ſagen, ich halt's doch nicht aus
mit dir.

Die ſchönen Wangen der Frau wurden todten¬
blaß. Aber ſie ſchwieg und ſah ſtill vor ſich hin.

Nein, fuhr Adam fort, ich halt' es nicht aus.
Du biſt bildſchön, Marion, und das weiß ich jetzt,
vier Wochen nach der Hochzeit, beſſer, als da ich um
dich freite. Aber — du biſt langweilig, Marion. Ich
will nicht ſagen, daß du keinen Verſtand haſt. Aber
die heilige Jungfrau mag wiſſen, ob er ſchläft oder
in guter Hoffnung irgend eines großen Gedankens
iſt, und wann der zur Welt kommt. Ich habe dar¬
auf warten wollen; nun reißt mir die Geduld. Haſt
du die ganze Zeit, daß wir Mann und Frau ſind,
einmal ſo recht geplaudert oder einen Witz gemacht,
oder haben meine Poſſen mehr Gnade vor dir ge¬
funden, als ein halbes Lächeln? Biſt du nicht ſtill
deiner Wege gegangen wie ein wandelndes Steinbild?
Was hilft mir's, daß ich dann und wann die Er¬
fahrung mache, du ſeieſt dennoch von Fleiſch und
Blut, wenn ich vom Morgen bis Abend meine Späße
allein belachen muß und meine Verſe allein ſchön fin¬
den? Ich Narr! Ich hätt's freilich früher bedenken
ſollen — damals, als ich mich in dich verliebte. —

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[73/0085] Nein, Adam. So iſt's gut; ich habe mit dir zu reden. Du biſt ein gutes Weib, Marion, und thuſt deine Pflicht. Aber ich muß dir ſagen, ich halt's doch nicht aus mit dir. Die ſchönen Wangen der Frau wurden todten¬ blaß. Aber ſie ſchwieg und ſah ſtill vor ſich hin. Nein, fuhr Adam fort, ich halt' es nicht aus. Du biſt bildſchön, Marion, und das weiß ich jetzt, vier Wochen nach der Hochzeit, beſſer, als da ich um dich freite. Aber — du biſt langweilig, Marion. Ich will nicht ſagen, daß du keinen Verſtand haſt. Aber die heilige Jungfrau mag wiſſen, ob er ſchläft oder in guter Hoffnung irgend eines großen Gedankens iſt, und wann der zur Welt kommt. Ich habe dar¬ auf warten wollen; nun reißt mir die Geduld. Haſt du die ganze Zeit, daß wir Mann und Frau ſind, einmal ſo recht geplaudert oder einen Witz gemacht, oder haben meine Poſſen mehr Gnade vor dir ge¬ funden, als ein halbes Lächeln? Biſt du nicht ſtill deiner Wege gegangen wie ein wandelndes Steinbild? Was hilft mir's, daß ich dann und wann die Er¬ fahrung mache, du ſeieſt dennoch von Fleiſch und Blut, wenn ich vom Morgen bis Abend meine Späße allein belachen muß und meine Verſe allein ſchön fin¬ den? Ich Narr! Ich hätt's freilich früher bedenken ſollen — damals, als ich mich in dich verliebte. —

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/85>, abgerufen am 02.05.2024.