Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.Herz!" Damit stürmte er an ihr vorbei und die Sie blieb droben. Seine letzten Worte hatten ihr Endlich kam er wieder herauf. Die Unruhe drängte "Ich bin der Blinde!" rief er. "Du bist die Sie hing stumm und heftig hingegeben an seinem Der Tag brach an über ihrem Glück. Nun wußte Herz!“ Damit ſtürmte er an ihr vorbei und die Sie blieb droben. Seine letzten Worte hatten ihr Endlich kam er wieder herauf. Die Unruhe drängte „Ich bin der Blinde!“ rief er. „Du biſt die Sie hing ſtumm und heftig hingegeben an ſeinem Der Tag brach an über ihrem Glück. Nun wußte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0078" n="66"/> Herz!“ Damit ſtürmte er an ihr vorbei und die<lb/> Treppe hinab.</p><lb/> <p>Sie blieb droben. Seine letzten Worte hatten ihr<lb/> ganzes Weſen erſchüttert, und eine Fluth jauchzender<lb/> Gedanken ſtrömte über ihr ſcheues, ungläubiges Herz.<lb/> Sie ſetzte ſich zitternd auf den Mantelſack. „Für dich,<lb/> für dich!“ klang es ihr im Ohr. Sie fürchtete faſt<lb/> ſeine Rückkehr, wenn er es anders gemeint hatte —<lb/> und wie ſollte er es nicht anders meinen? Was war<lb/> ſie ihm? — —</p><lb/> <p>Endlich kam er wieder herauf. Die Unruhe drängte<lb/> ſie, ſie ſtand auf und wollte aus der Thür. Da trat<lb/> er ein und faßte ſie in die Arme und ſagte ihr Alles.</p><lb/> <p>„Ich bin der Blinde!“ rief er. „<hi rendition="#g">Du</hi> biſt die<lb/> Sehende, die Seherin. Was wär' ich jetzt ohne<lb/> deine Klarheit? Ein Verwaiſ'ter durch alle Zukunft,<lb/> vertrieben von allen Herzen, die ich liebe, durch un¬<lb/> ſelige Verblendung! — Und nun — nun — Alles<lb/> wieder mein, und mehr als ich wußte, als ich ſonſt<lb/> mir gönnte!“</p><lb/> <p>Sie hing ſtumm und heftig hingegeben an ſeinem<lb/> Halſe. All die lang verhaltene Innigkeit ward frei<lb/> und glühte in ihrem Kuß und verachtete die armen<lb/> Worte.</p><lb/> <p>Der Tag brach an über ihrem Glück. Nun wußte<lb/> er auch, was ſie bisher ſtandhaft verſchwiegen hatte,<lb/> und was dieſelbe Kammer mit angeſehen, in der ſie<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [66/0078]
Herz!“ Damit ſtürmte er an ihr vorbei und die
Treppe hinab.
Sie blieb droben. Seine letzten Worte hatten ihr
ganzes Weſen erſchüttert, und eine Fluth jauchzender
Gedanken ſtrömte über ihr ſcheues, ungläubiges Herz.
Sie ſetzte ſich zitternd auf den Mantelſack. „Für dich,
für dich!“ klang es ihr im Ohr. Sie fürchtete faſt
ſeine Rückkehr, wenn er es anders gemeint hatte —
und wie ſollte er es nicht anders meinen? Was war
ſie ihm? — —
Endlich kam er wieder herauf. Die Unruhe drängte
ſie, ſie ſtand auf und wollte aus der Thür. Da trat
er ein und faßte ſie in die Arme und ſagte ihr Alles.
„Ich bin der Blinde!“ rief er. „Du biſt die
Sehende, die Seherin. Was wär' ich jetzt ohne
deine Klarheit? Ein Verwaiſ'ter durch alle Zukunft,
vertrieben von allen Herzen, die ich liebe, durch un¬
ſelige Verblendung! — Und nun — nun — Alles
wieder mein, und mehr als ich wußte, als ich ſonſt
mir gönnte!“
Sie hing ſtumm und heftig hingegeben an ſeinem
Halſe. All die lang verhaltene Innigkeit ward frei
und glühte in ihrem Kuß und verachtete die armen
Worte.
Der Tag brach an über ihrem Glück. Nun wußte
er auch, was ſie bisher ſtandhaft verſchwiegen hatte,
und was dieſelbe Kammer mit angeſehen, in der ſie
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