jetzt, für immer einander unverlierbar, in der an¬ brechenden Frühe sich die Hände drückten und schieden.
Im Laufe des Tages kam ein Brief, den Wolf noch in der Nacht vom nächsten Dorfe aus geschrie¬ ben hatte. Clemens solle es gut sein lassen, schrieb er; er nehme Alles zurück, er wisse am besten, daß es alberne Lügen seien. Der Aerger habe sie ihm ausgepreßt und die Weinlaune. Er habe es ihm freilich verdacht, wie er so kalt herumgegangen sei, da es ihn nur ein Wort gekostet hätte, ein solches Mädchen zu haben. Und wie er dann gesehn, daß es Clemens Ernst sei, habe er gegen das gelästert, was ihm selber für immer versagt bleibe. Er solle ihn nicht für schlimmer halten als er sei, ihn auch gegen das Mädchen und die Eltern entschuldigen und sich nicht ganz und gar von ihm lossagen.
Als Clemens diese Zeilen Marlenen vorgelesen, sagte sie bewegt: "Er dauert mich nun! Mir war nicht wohl, als er da war, und wie viel hätte er sich und uns ersparen können! Aber ich will nun ruhig an ihn denken. Wie viel haben wir ihm zu verdanken!"
5 *
jetzt, für immer einander unverlierbar, in der an¬ brechenden Frühe ſich die Hände drückten und ſchieden.
Im Laufe des Tages kam ein Brief, den Wolf noch in der Nacht vom nächſten Dorfe aus geſchrie¬ ben hatte. Clemens ſolle es gut ſein laſſen, ſchrieb er; er nehme Alles zurück, er wiſſe am beſten, daß es alberne Lügen ſeien. Der Aerger habe ſie ihm ausgepreßt und die Weinlaune. Er habe es ihm freilich verdacht, wie er ſo kalt herumgegangen ſei, da es ihn nur ein Wort gekoſtet hätte, ein ſolches Mädchen zu haben. Und wie er dann geſehn, daß es Clemens Ernſt ſei, habe er gegen das geläſtert, was ihm ſelber für immer verſagt bleibe. Er ſolle ihn nicht für ſchlimmer halten als er ſei, ihn auch gegen das Mädchen und die Eltern entſchuldigen und ſich nicht ganz und gar von ihm losſagen.
Als Clemens dieſe Zeilen Marlenen vorgeleſen, ſagte ſie bewegt: „Er dauert mich nun! Mir war nicht wohl, als er da war, und wie viel hätte er ſich und uns erſparen können! Aber ich will nun ruhig an ihn denken. Wie viel haben wir ihm zu verdanken!“
5 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0079"n="67"/>
jetzt, für immer einander unverlierbar, in der an¬<lb/>
brechenden Frühe ſich die Hände drückten und ſchieden.</p><lb/><p>Im Laufe des Tages kam ein Brief, den Wolf<lb/>
noch in der Nacht vom nächſten Dorfe aus geſchrie¬<lb/>
ben hatte. Clemens ſolle es gut ſein laſſen, ſchrieb<lb/>
er; er nehme Alles zurück, er wiſſe am beſten, daß<lb/>
es alberne Lügen ſeien. Der Aerger habe ſie ihm<lb/>
ausgepreßt und die Weinlaune. Er habe es ihm<lb/>
freilich verdacht, wie er ſo kalt herumgegangen ſei,<lb/>
da es ihn nur ein Wort gekoſtet hätte, ein ſolches<lb/>
Mädchen zu haben. Und wie er dann geſehn, daß<lb/>
es Clemens Ernſt ſei, habe er gegen das geläſtert,<lb/>
was ihm ſelber für immer verſagt bleibe. Er ſolle<lb/>
ihn nicht für ſchlimmer halten als er ſei, ihn auch<lb/>
gegen das Mädchen und die Eltern entſchuldigen<lb/>
und ſich nicht ganz und gar von ihm losſagen.</p><lb/><p>Als Clemens dieſe Zeilen Marlenen vorgeleſen,<lb/>ſagte ſie bewegt: „Er dauert mich nun! Mir war<lb/>
nicht wohl, als er da war, und wie viel hätte er ſich<lb/>
und uns erſparen können! Aber ich will nun ruhig<lb/>
an ihn denken. Wie viel haben wir ihm zu verdanken!“</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><fwplace="bottom"type="sig">5 *<lb/></fw></div></div></body></text></TEI>
[67/0079]
jetzt, für immer einander unverlierbar, in der an¬
brechenden Frühe ſich die Hände drückten und ſchieden.
Im Laufe des Tages kam ein Brief, den Wolf
noch in der Nacht vom nächſten Dorfe aus geſchrie¬
ben hatte. Clemens ſolle es gut ſein laſſen, ſchrieb
er; er nehme Alles zurück, er wiſſe am beſten, daß
es alberne Lügen ſeien. Der Aerger habe ſie ihm
ausgepreßt und die Weinlaune. Er habe es ihm
freilich verdacht, wie er ſo kalt herumgegangen ſei,
da es ihn nur ein Wort gekoſtet hätte, ein ſolches
Mädchen zu haben. Und wie er dann geſehn, daß
es Clemens Ernſt ſei, habe er gegen das geläſtert,
was ihm ſelber für immer verſagt bleibe. Er ſolle
ihn nicht für ſchlimmer halten als er ſei, ihn auch
gegen das Mädchen und die Eltern entſchuldigen
und ſich nicht ganz und gar von ihm losſagen.
Als Clemens dieſe Zeilen Marlenen vorgeleſen,
ſagte ſie bewegt: „Er dauert mich nun! Mir war
nicht wohl, als er da war, und wie viel hätte er ſich
und uns erſparen können! Aber ich will nun ruhig
an ihn denken. Wie viel haben wir ihm zu verdanken!“
5 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/79>, abgerufen am 25.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.