Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.fast niedrig vor. Er schämte sich, daß er ihn hatte Bianchi entging der seltsam gährende Zustand sei¬ faſt niedrig vor. Er ſchämte ſich, daß er ihn hatte Bianchi entging der ſeltſam gährende Zuſtand ſei¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0196" n="184"/> faſt niedrig vor. Er ſchämte ſich, daß er ihn hatte<lb/> beneiden können. Ein zarter Glanz breitete ſich wie¬<lb/> der um die lieben Geſtalten ſeiner nächſten Angehö¬<lb/> rigen. Er ſprang dann auf und ſtürzte mit über¬<lb/> vollem Herzen zu ihnen. Fand er aber dort Die er<lb/> ſuchte in der ruhigen würdevollen Umgebung, die<lb/> ihn verhinderte, ſein Inneres auszuſchütten, mußte er<lb/> ſeine leidenſchaftliche Hingebung zu einem gleichmü¬<lb/> thigen Geſpräch über fremde Dinge herabſtimmen<lb/> und fand kaum Gelegenheit, ſeine Geliebte beim Weg¬<lb/> gehn flüchtig an ſich zu preſſen: ſo gerieth er in der<lb/> Einſamkeit von neuem außer ſich und brach in ſtür¬<lb/> miſche Anklagen der Lauheit, des Zwanges und der<lb/> Unnatur aus. Dann konnte er ſtundenlang am Ufer<lb/> der Tiber vor Bianchi's Thür auf und ab gehn, hin¬<lb/> überſtarren, wo ſich Sanct Peter mächtig über die<lb/> breite Maſſe des Vatican erhob, den Fluß verfolgen,<lb/> der unter Gebüſch weit in die Landſchaft hinaus lief,<lb/> und dann zu der Thür ſeines Freundes flüchten, ohne<lb/> den Klopfer zu rühren. Trat er wirklich ein, ſo ließ<lb/> freilich die zielloſe Qual von ihm. Aber die gereizte<lb/> Fröhlichkeit, die ihn dann ergriff, die Begeiſterung,<lb/> die aus ihm ſprühte, wenn er in der Werkſtatt auf<lb/> und ab ging und von Dingen der Kunſt redete, waren<lb/> weit von Geſundheit entfernt.</p><lb/> <p>Bianchi entging der ſeltſam gährende Zuſtand ſei¬<lb/> nes Freundes nicht. Aber er vermied es, den Grund<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [184/0196]
faſt niedrig vor. Er ſchämte ſich, daß er ihn hatte
beneiden können. Ein zarter Glanz breitete ſich wie¬
der um die lieben Geſtalten ſeiner nächſten Angehö¬
rigen. Er ſprang dann auf und ſtürzte mit über¬
vollem Herzen zu ihnen. Fand er aber dort Die er
ſuchte in der ruhigen würdevollen Umgebung, die
ihn verhinderte, ſein Inneres auszuſchütten, mußte er
ſeine leidenſchaftliche Hingebung zu einem gleichmü¬
thigen Geſpräch über fremde Dinge herabſtimmen
und fand kaum Gelegenheit, ſeine Geliebte beim Weg¬
gehn flüchtig an ſich zu preſſen: ſo gerieth er in der
Einſamkeit von neuem außer ſich und brach in ſtür¬
miſche Anklagen der Lauheit, des Zwanges und der
Unnatur aus. Dann konnte er ſtundenlang am Ufer
der Tiber vor Bianchi's Thür auf und ab gehn, hin¬
überſtarren, wo ſich Sanct Peter mächtig über die
breite Maſſe des Vatican erhob, den Fluß verfolgen,
der unter Gebüſch weit in die Landſchaft hinaus lief,
und dann zu der Thür ſeines Freundes flüchten, ohne
den Klopfer zu rühren. Trat er wirklich ein, ſo ließ
freilich die zielloſe Qual von ihm. Aber die gereizte
Fröhlichkeit, die ihn dann ergriff, die Begeiſterung,
die aus ihm ſprühte, wenn er in der Werkſtatt auf
und ab ging und von Dingen der Kunſt redete, waren
weit von Geſundheit entfernt.
Bianchi entging der ſeltſam gährende Zuſtand ſei¬
nes Freundes nicht. Aber er vermied es, den Grund
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