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Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

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Caterina. Bei den ersten heftigen Tönen des Tam¬
burin begann das Mädchen den Tanz. Lalla stand
neben der Alten und klapperte und schnalzte mit den
Castagnetten; Sor Luigi der Sänger saß unbeweglich
hinter seinem Tisch und begann schon nach den ersten
Tacten eine Melodie zu summen. Bald sang er das
Lied und die Worte voll heraus. Die Worte, die
Theodor nicht verstand, die fieberhafte Unruhe der
eintönigen Instrumente und mehr als Alles der hohe
Zauber der Tänzerin verwirrten ihm allmählich die
Gedanken, daß er drein sah wie in eine fremde Welt.
Das Bekannte, Eigne, Theuerste trat in eine nichtige
Dämmerung zurück, die es aller Farbe entkleidete.
Menschen, Gedanken, Wünsche und Hoffnungen wälz¬
ten sich in diesem Halbtraum nach dem Tact des
dumpfen Tamburin durch seine Seele wie zu einer
großen Musterung: er verwarf sie alle; es war ihm
als hörte er in sich rufen: Ihr seid werthlos und
scheintodt. Hier ist Leben und Seligkeit!

Mit dem Ende des Tanzes erwachte er und sah
verstört um sich. Er griff nach seinem Hut. Ihr
wollt fort? schon? heute? fragte Bianchi betroffen.
Ich sehe, es gefällt Euch nicht unter diesen meinen
Freunden.

Ihr verkennt mich ganz und gar, erwiederte Theo¬
dor und sah düster vor sich hin. Wie gern bliebe
ich, wie gern! Aber ich habe ein Versprechen gege¬

Caterina. Bei den erſten heftigen Tönen des Tam¬
burin begann das Mädchen den Tanz. Lalla ſtand
neben der Alten und klapperte und ſchnalzte mit den
Caſtagnetten; Sor Luigi der Sänger ſaß unbeweglich
hinter ſeinem Tiſch und begann ſchon nach den erſten
Tacten eine Melodie zu ſummen. Bald ſang er das
Lied und die Worte voll heraus. Die Worte, die
Theodor nicht verſtand, die fieberhafte Unruhe der
eintönigen Inſtrumente und mehr als Alles der hohe
Zauber der Tänzerin verwirrten ihm allmählich die
Gedanken, daß er drein ſah wie in eine fremde Welt.
Das Bekannte, Eigne, Theuerſte trat in eine nichtige
Dämmerung zurück, die es aller Farbe entkleidete.
Menſchen, Gedanken, Wünſche und Hoffnungen wälz¬
ten ſich in dieſem Halbtraum nach dem Tact des
dumpfen Tamburin durch ſeine Seele wie zu einer
großen Muſterung: er verwarf ſie alle; es war ihm
als hörte er in ſich rufen: Ihr ſeid werthlos und
ſcheintodt. Hier iſt Leben und Seligkeit!

Mit dem Ende des Tanzes erwachte er und ſah
verſtört um ſich. Er griff nach ſeinem Hut. Ihr
wollt fort? ſchon? heute? fragte Bianchi betroffen.
Ich ſehe, es gefällt Euch nicht unter dieſen meinen
Freunden.

Ihr verkennt mich ganz und gar, erwiederte Theo¬
dor und ſah düſter vor ſich hin. Wie gern bliebe
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[176/0188] Caterina. Bei den erſten heftigen Tönen des Tam¬ burin begann das Mädchen den Tanz. Lalla ſtand neben der Alten und klapperte und ſchnalzte mit den Caſtagnetten; Sor Luigi der Sänger ſaß unbeweglich hinter ſeinem Tiſch und begann ſchon nach den erſten Tacten eine Melodie zu ſummen. Bald ſang er das Lied und die Worte voll heraus. Die Worte, die Theodor nicht verſtand, die fieberhafte Unruhe der eintönigen Inſtrumente und mehr als Alles der hohe Zauber der Tänzerin verwirrten ihm allmählich die Gedanken, daß er drein ſah wie in eine fremde Welt. Das Bekannte, Eigne, Theuerſte trat in eine nichtige Dämmerung zurück, die es aller Farbe entkleidete. Menſchen, Gedanken, Wünſche und Hoffnungen wälz¬ ten ſich in dieſem Halbtraum nach dem Tact des dumpfen Tamburin durch ſeine Seele wie zu einer großen Muſterung: er verwarf ſie alle; es war ihm als hörte er in ſich rufen: Ihr ſeid werthlos und ſcheintodt. Hier iſt Leben und Seligkeit! Mit dem Ende des Tanzes erwachte er und ſah verſtört um ſich. Er griff nach ſeinem Hut. Ihr wollt fort? ſchon? heute? fragte Bianchi betroffen. Ich ſehe, es gefällt Euch nicht unter dieſen meinen Freunden. Ihr verkennt mich ganz und gar, erwiederte Theo¬ dor und ſah düſter vor ſich hin. Wie gern bliebe ich, wie gern! Aber ich habe ein Verſprechen gege¬

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/188>, abgerufen am 29.11.2024.