Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

ihnen abhören, in welchem Sinne sie das Denkmal
ausgeführt wünschen?

Der Andere schwieg eine Weile. Nein, sagte er
dann ruhig, ich mag keine Bekanntschaften und keine
Thränen. Ihr habt ihn lieb gehabt, das ist genug;
ich mach' es für Euch. -- Ihr dürft mir das nicht
verdenken, fuhr er nach einer Pause fort; ich tauge
da nicht hin. Wer mich haben will, muß mich über¬
fallen wie den Bären in der Grube; wo ich nicht
entrinnen kann, setz' ich mich fast manierlich auf die
Hinterfüße und brumme mein Wort mit drein. Aber
auch das verhütet noch. Laßt mich machen. Ich will
nichts sagen und zeigen, bis der Entwurf so weit
gediehen ist, daß auch Laien einen Eindruck haben.
Hernach mögen sie kommen.

Sie sprachen von andern Dingen; Bianchi wurde
immer heller und fast übermüthig, während auf Theo¬
dors Gesicht ein Schatten lag. So blieben sie den
Tag zusammen, und es war Beiden wie Abschied zu
Muth; denn zum ersten Mal umgab sie der offne
gemeinsame Tag, Lärm der Wagen und Gewühl la¬
chender Spaziergänger. Bianchi nahm Theodors
Arm nicht an. Langsam ging er neben ihm, Frauen
und Mädchen musternd, deren Viele ihn zu kennen
schienen, und hie und da einem Bekannten zunickend,
ohne zum Anreden einzuladen. War er vorüber, so
blieben die Leute stehn, flüsterten, zeigten nach ihm,

ihnen abhören, in welchem Sinne ſie das Denkmal
ausgeführt wünſchen?

Der Andere ſchwieg eine Weile. Nein, ſagte er
dann ruhig, ich mag keine Bekanntſchaften und keine
Thränen. Ihr habt ihn lieb gehabt, das iſt genug;
ich mach' es für Euch. — Ihr dürft mir das nicht
verdenken, fuhr er nach einer Pauſe fort; ich tauge
da nicht hin. Wer mich haben will, muß mich über¬
fallen wie den Bären in der Grube; wo ich nicht
entrinnen kann, ſetz' ich mich faſt manierlich auf die
Hinterfüße und brumme mein Wort mit drein. Aber
auch das verhütet noch. Laßt mich machen. Ich will
nichts ſagen und zeigen, bis der Entwurf ſo weit
gediehen iſt, daß auch Laien einen Eindruck haben.
Hernach mögen ſie kommen.

Sie ſprachen von andern Dingen; Bianchi wurde
immer heller und faſt übermüthig, während auf Theo¬
dors Geſicht ein Schatten lag. So blieben ſie den
Tag zuſammen, und es war Beiden wie Abſchied zu
Muth; denn zum erſten Mal umgab ſie der offne
gemeinſame Tag, Lärm der Wagen und Gewühl la¬
chender Spaziergänger. Bianchi nahm Theodors
Arm nicht an. Langſam ging er neben ihm, Frauen
und Mädchen muſternd, deren Viele ihn zu kennen
ſchienen, und hie und da einem Bekannten zunickend,
ohne zum Anreden einzuladen. War er vorüber, ſo
blieben die Leute ſtehn, flüſterten, zeigten nach ihm,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0179" n="167"/>
ihnen abhören, in welchem Sinne &#x017F;ie das Denkmal<lb/>
ausgeführt wün&#x017F;chen?</p><lb/>
        <p>Der Andere &#x017F;chwieg eine Weile. Nein, &#x017F;agte er<lb/>
dann ruhig, ich mag keine Bekannt&#x017F;chaften und keine<lb/>
Thränen. Ihr habt ihn lieb gehabt, das i&#x017F;t genug;<lb/>
ich mach' es für Euch. &#x2014; Ihr dürft mir das nicht<lb/>
verdenken, fuhr er nach einer Pau&#x017F;e fort; ich tauge<lb/>
da nicht hin. Wer mich haben will, muß mich über¬<lb/>
fallen wie den Bären in der Grube; wo ich nicht<lb/>
entrinnen kann, &#x017F;etz' ich mich fa&#x017F;t manierlich auf die<lb/>
Hinterfüße und brumme mein Wort mit drein. Aber<lb/>
auch das verhütet noch. Laßt mich machen. Ich will<lb/>
nichts &#x017F;agen und zeigen, bis der Entwurf &#x017F;o weit<lb/>
gediehen i&#x017F;t, daß auch Laien einen Eindruck haben.<lb/>
Hernach mögen &#x017F;ie kommen.</p><lb/>
        <p>Sie &#x017F;prachen von andern Dingen; Bianchi wurde<lb/>
immer heller und fa&#x017F;t übermüthig, während auf Theo¬<lb/>
dors Ge&#x017F;icht ein Schatten lag. So blieben &#x017F;ie den<lb/>
Tag zu&#x017F;ammen, und es war Beiden wie Ab&#x017F;chied zu<lb/>
Muth; denn zum er&#x017F;ten Mal umgab &#x017F;ie der offne<lb/>
gemein&#x017F;ame Tag, Lärm der Wagen und Gewühl la¬<lb/>
chender Spaziergänger. Bianchi nahm Theodors<lb/>
Arm nicht an. Lang&#x017F;am ging er neben ihm, Frauen<lb/>
und Mädchen mu&#x017F;ternd, deren Viele ihn zu kennen<lb/>
&#x017F;chienen, und hie und da einem Bekannten zunickend,<lb/>
ohne zum Anreden einzuladen. War er vorüber, &#x017F;o<lb/>
blieben die Leute &#x017F;tehn, flü&#x017F;terten, zeigten nach ihm,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0179] ihnen abhören, in welchem Sinne ſie das Denkmal ausgeführt wünſchen? Der Andere ſchwieg eine Weile. Nein, ſagte er dann ruhig, ich mag keine Bekanntſchaften und keine Thränen. Ihr habt ihn lieb gehabt, das iſt genug; ich mach' es für Euch. — Ihr dürft mir das nicht verdenken, fuhr er nach einer Pauſe fort; ich tauge da nicht hin. Wer mich haben will, muß mich über¬ fallen wie den Bären in der Grube; wo ich nicht entrinnen kann, ſetz' ich mich faſt manierlich auf die Hinterfüße und brumme mein Wort mit drein. Aber auch das verhütet noch. Laßt mich machen. Ich will nichts ſagen und zeigen, bis der Entwurf ſo weit gediehen iſt, daß auch Laien einen Eindruck haben. Hernach mögen ſie kommen. Sie ſprachen von andern Dingen; Bianchi wurde immer heller und faſt übermüthig, während auf Theo¬ dors Geſicht ein Schatten lag. So blieben ſie den Tag zuſammen, und es war Beiden wie Abſchied zu Muth; denn zum erſten Mal umgab ſie der offne gemeinſame Tag, Lärm der Wagen und Gewühl la¬ chender Spaziergänger. Bianchi nahm Theodors Arm nicht an. Langſam ging er neben ihm, Frauen und Mädchen muſternd, deren Viele ihn zu kennen ſchienen, und hie und da einem Bekannten zunickend, ohne zum Anreden einzuladen. War er vorüber, ſo blieben die Leute ſtehn, flüſterten, zeigten nach ihm,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/179
Zitationshilfe: Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_novellen_1855/179>, abgerufen am 23.12.2024.