Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.Seine im Stich! Und dennoch, wer weiß, ob ich nicht Ich wüßte nicht, sagte Theodor lächelnd. Ihr Ihr seid ein Spötter, sagte sie und gab ihm einen Ihr wißt, theuerste Freundin, daß die Liebe Wun¬ Ihr habt Recht, sagte sie, im Grunde ist die Liebe Seine im Stich! Und dennoch, wer weiß, ob ich nicht Ich wüßte nicht, ſagte Theodor lächelnd. Ihr Ihr ſeid ein Spötter, ſagte ſie und gab ihm einen Ihr wißt, theuerſte Freundin, daß die Liebe Wun¬ Ihr habt Recht, ſagte ſie, im Grunde iſt die Liebe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0154" n="142"/> Seine im Stich! Und dennoch, wer weiß, ob ich nicht<lb/> hier mein Leben beſchlöſſe, wenn es nicht unedel wäre,<lb/> ſeines Vaterlandes zu vergeſſen, ſo ſehr es uns ſelbſt<lb/> und alte gute Dienſte der Vorfahren vergeſſen ha¬<lb/> ben mag.</p><lb/> <p>Ich wüßte nicht, ſagte Theodor lächelnd. Ihr<lb/> erweiſ't Alt-England nur einen Dienſt, wenn Ihr an<lb/> Euerm Theil Rom erobert und ſo in die Fußſtapfen<lb/> Eures Urahnen tretet.</p><lb/> <p>Ihr ſeid ein Spötter, ſagte ſie und gab ihm einen<lb/> leichten Schlag mit dem Fächer. Aber wenn ich auch<lb/> noch in den Jahren ſtünde, wo Euer Spott artiger<lb/> wäre, meint Ihr im Ernſt, vorausgeſetzt, Ihr hättet<lb/> einigen Grund zu Eurer Aeußerung und es wäre Je¬<lb/> mand um mich bemüht — meint Ihr, ſag' ich, daß<lb/> engliſcher und italiäniſcher oder eigentlich römiſcher<lb/> Charakter ſich auf die Länge mit einander vertrügen?</p><lb/> <p>Ihr wißt, theuerſte Freundin, daß die Liebe Wun¬<lb/> der thut, Abgründe ausfüllt und Schranken nieder¬<lb/> reißt. Für die Charaktere fürchte ich nicht. Fände<lb/> ſich die <hi rendition="#g">Bildung</hi> übereinſtimmend, was ſollte den<lb/><hi rendition="#g">Herzen</hi> nicht gelingen! Ich habe mehr Ehen an<lb/> verſchiedenem Geſchmack, als an verſchiedenen Leiden¬<lb/> ſchaften zu Grunde gehen ſehn. Aber welcher Römer<lb/> würde z. B. Euern Geſchmack an Rom nicht theilen?</p><lb/> <p>Ihr habt Recht, ſagte ſie, im Grunde iſt die Liebe<lb/> Geſchmacksſache. — Sie zog den grünen Schleier<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [142/0154]
Seine im Stich! Und dennoch, wer weiß, ob ich nicht
hier mein Leben beſchlöſſe, wenn es nicht unedel wäre,
ſeines Vaterlandes zu vergeſſen, ſo ſehr es uns ſelbſt
und alte gute Dienſte der Vorfahren vergeſſen ha¬
ben mag.
Ich wüßte nicht, ſagte Theodor lächelnd. Ihr
erweiſ't Alt-England nur einen Dienſt, wenn Ihr an
Euerm Theil Rom erobert und ſo in die Fußſtapfen
Eures Urahnen tretet.
Ihr ſeid ein Spötter, ſagte ſie und gab ihm einen
leichten Schlag mit dem Fächer. Aber wenn ich auch
noch in den Jahren ſtünde, wo Euer Spott artiger
wäre, meint Ihr im Ernſt, vorausgeſetzt, Ihr hättet
einigen Grund zu Eurer Aeußerung und es wäre Je¬
mand um mich bemüht — meint Ihr, ſag' ich, daß
engliſcher und italiäniſcher oder eigentlich römiſcher
Charakter ſich auf die Länge mit einander vertrügen?
Ihr wißt, theuerſte Freundin, daß die Liebe Wun¬
der thut, Abgründe ausfüllt und Schranken nieder¬
reißt. Für die Charaktere fürchte ich nicht. Fände
ſich die Bildung übereinſtimmend, was ſollte den
Herzen nicht gelingen! Ich habe mehr Ehen an
verſchiedenem Geſchmack, als an verſchiedenen Leiden¬
ſchaften zu Grunde gehen ſehn. Aber welcher Römer
würde z. B. Euern Geſchmack an Rom nicht theilen?
Ihr habt Recht, ſagte ſie, im Grunde iſt die Liebe
Geſchmacksſache. — Sie zog den grünen Schleier
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