Gesetzesvorlagen einzubringen, die den Alkoholgenuß einschränken oder gänzlich unterdrücken, die Prostitution - an einigen Orten kam es zur Aufhebung der Bordelle -, das Wohnungs- und Kinder- elend beschränken. Das eheliche und uneheliche Kind, sein geistiges und leibliches Wohl steht im Mittelpunkt der Fürsorge der Frauen. Kindervernachlässigung wird durch gesetzlich wirksame Maß- nahmen vorgebeucht, die Unterhaltspflicht der Eltern resp. der Väter gegen ihre Kinder wird erhöht, das Schutzalter der Mädchen in Australien von 14 auf 16, in den Vereinigten Staaten auf 18 und 21 Jahre verlängert. Für jugendliche Verbrecher werden Sonder- gerichtshöfe eingeführt, das Strafmündigkeitsalter wird herauf- gesetzt usw. usw., die Frau und Mutter sichert sich erhöhten Ein- fluß auf die Erziehung in Schule und Haus. Ueberall verstanden die Frauen für ihre Vorlagen eine wirkungsvolle Propaganda zu machen, sie mit scharfer Logik überzeugungstreu zu vertreten und ihnen dadurch Annahme zu sichern. Schon vorher hatten Männer für gleiche Ziele lange Jahre vergeblich gekämpft, die durch die Mitarbeit der Frauen unter gleichen politischen Rechten schnelle Verwirklichung fanden.
Während der Dauer dieses Krieges haben Frauen zum ersten Male in der Geschichte der Menschheit als politisch Gleichberechtigte an der Abstimmung über kriegerische Maßnahmen teilgenommen, z, B. über die Einführung der Wehrpflicht in Australien. Ein großer Teil der stimmberechtigten Männer war freiwillig zur Fahne geeilt, stand im Felde, so gaben die Stimmen der Frauen noch mehr als bei früheren Abstimmungen den Ausschlag. Die obligatorische Wehrpflicht wurde mit großer Majorität abgelehnt, das Referendum ergab 637000 Stimmen dafür und 723 00 dagegen; das geschah in einem Lande, wo Männer und Frauen von jeher daran gewöhnt sind, daß der Staat durch gesetzliche Maßnahmen jeder Art persönliche Freiheit beschränkt. Eine Wiederholung des Versuches Ende 1917 ergab dasselbe Resultat, so daß der Premier- minister Hughes sich veranlaßt fühlte, sein Amt niederzulegen. Was aber erlebten wir während der Kriegsjahre in dem Mutter-
Gesetzesvorlagen einzubringen, die den Alkoholgenuß einschränken oder gänzlich unterdrücken, die Prostitution – an einigen Orten kam es zur Aufhebung der Bordelle –, das Wohnungs- und Kinder- elend beschränken. Das eheliche und uneheliche Kind, sein geistiges und leibliches Wohl steht im Mittelpunkt der Fürsorge der Frauen. Kindervernachlässigung wird durch gesetzlich wirksame Maß- nahmen vorgebeucht, die Unterhaltspflicht der Eltern resp. der Väter gegen ihre Kinder wird erhöht, das Schutzalter der Mädchen in Australien von 14 auf 16, in den Vereinigten Staaten auf 18 und 21 Jahre verlängert. Für jugendliche Verbrecher werden Sonder- gerichtshöfe eingeführt, das Strafmündigkeitsalter wird herauf- gesetzt usw. usw., die Frau und Mutter sichert sich erhöhten Ein- fluß auf die Erziehung in Schule und Haus. Ueberall verstanden die Frauen für ihre Vorlagen eine wirkungsvolle Propaganda zu machen, sie mit scharfer Logik überzeugungstreu zu vertreten und ihnen dadurch Annahme zu sichern. Schon vorher hatten Männer für gleiche Ziele lange Jahre vergeblich gekämpft, die durch die Mitarbeit der Frauen unter gleichen politischen Rechten schnelle Verwirklichung fanden.
Während der Dauer dieses Krieges haben Frauen zum ersten Male in der Geschichte der Menschheit als politisch Gleichberechtigte an der Abstimmung über kriegerische Maßnahmen teilgenommen, z, B. über die Einführung der Wehrpflicht in Australien. Ein großer Teil der stimmberechtigten Männer war freiwillig zur Fahne geeilt, stand im Felde, so gaben die Stimmen der Frauen noch mehr als bei früheren Abstimmungen den Ausschlag. Die obligatorische Wehrpflicht wurde mit großer Majorität abgelehnt, das Referendum ergab 637000 Stimmen dafür und 723 00 dagegen; das geschah in einem Lande, wo Männer und Frauen von jeher daran gewöhnt sind, daß der Staat durch gesetzliche Maßnahmen jeder Art persönliche Freiheit beschränkt. Eine Wiederholung des Versuches Ende 1917 ergab dasselbe Resultat, so daß der Premier- minister Hughes sich veranlaßt fühlte, sein Amt niederzulegen. Was aber erlebten wir während der Kriegsjahre in dem Mutter-
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Gesetzesvorlagen einzubringen, die den Alkoholgenuß einschränken
oder gänzlich unterdrücken, die Prostitution – an einigen Orten kam
es zur Aufhebung der Bordelle –, das Wohnungs- und Kinder-
elend beschränken. Das eheliche und uneheliche Kind, sein geistiges
und leibliches Wohl steht im Mittelpunkt der Fürsorge der Frauen.
Kindervernachlässigung wird durch gesetzlich wirksame Maß-
nahmen vorgebeucht, die Unterhaltspflicht der Eltern resp. der
Väter gegen ihre Kinder wird erhöht, das Schutzalter der Mädchen in
Australien von 14 auf 16, in den Vereinigten Staaten auf 18 und
21 Jahre verlängert. Für jugendliche Verbrecher werden Sonder-
gerichtshöfe eingeführt, das Strafmündigkeitsalter wird herauf-
gesetzt usw. usw., die Frau und Mutter sichert sich erhöhten Ein-
fluß auf die Erziehung in Schule und Haus. Ueberall verstanden die
Frauen für ihre Vorlagen eine wirkungsvolle Propaganda zu
machen, sie mit scharfer Logik überzeugungstreu zu vertreten und
ihnen dadurch Annahme zu sichern. Schon vorher hatten Männer
für gleiche Ziele lange Jahre vergeblich gekämpft, die durch die
Mitarbeit der Frauen unter gleichen politischen Rechten schnelle
Verwirklichung fanden.
Während der Dauer dieses Krieges haben Frauen zum ersten
Male in der Geschichte der Menschheit als politisch Gleichberechtigte
an der Abstimmung über kriegerische Maßnahmen teilgenommen,
z, B. über die Einführung der Wehrpflicht in Australien. Ein
großer Teil der stimmberechtigten Männer war freiwillig zur
Fahne geeilt, stand im Felde, so gaben die Stimmen der Frauen
noch mehr als bei früheren Abstimmungen den Ausschlag. Die
obligatorische Wehrpflicht wurde mit großer Majorität abgelehnt,
das Referendum ergab 637000 Stimmen dafür und 723 00 dagegen;
das geschah in einem Lande, wo Männer und Frauen von jeher
daran gewöhnt sind, daß der Staat durch gesetzliche Maßnahmen
jeder Art persönliche Freiheit beschränkt. Eine Wiederholung des
Versuches Ende 1917 ergab dasselbe Resultat, so daß der Premier-
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(2017-10-19T08:47:15Z)
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Heymann, Lida Gustava: Frauenstimmrecht und Völkerverständigung. Leipzig, 1919 (= Nach dem Weltkrieg. Schriften zur Neuorientierung der auswärtigen Politik, Bd. 9), S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heymann_voelkerverstaendigung_1919/28>, abgerufen am 16.02.2025.
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